Klar kann man im Saarland gut essen. Aber es kommt auch auf die Leute an, die dafür sorgen. Auf einer Bloggertour treffen wir Menschen, die für ihren Traum vom Food-Business alles geben. Die natürliche Form dafür: das Familienunternehmen. (Blogger-Reise auf Einladung der Tourismus-Zentrale Saarland)
In der losen Reihe Lokaltermin können wir unsere erste Tour präsentieren: eine richtige Blogger-Reise auf Einladung, mit Führungen und Essen, und das im frankreichnahen Saarland.
Tolle Sache, und dazu war die Gruppe ausgesprochen ehrenhaft, es waren nämlich illustre Back-, Reise- und Genussblogger, darunter Claudia von Ofenkieker.de, Kuchenbäcker Tobias Müller, Andrea von Zimtkeks und Apfeltarte, Tanja vom Reiseblog Vielweib.de und Andrea Juchem von den Backschwestern.
Quarkundso.de, ohne Rezepte und ohne jedes Törtchen, lief da natürlich außer Konkurrenz. Umso höher rechnen wir es der Tourismuszentrale Saarland und Andrea Juchem von den Backschwestern an, dass sie uns eingeladen haben.
Auf dem Programm standen kleine Food-Startups und Manufakturen, ein Kochworkshop, eine Mühlenbesichtigung und am Ende eine Führung durch die Abteilung Tafelkultur bei Villeroy&Boch, mit standesgemäßer Übernachtung im Schloss Saareck. Daher ist natürlich die Chefredakteurin persönlich hingefahren. Auch, weil ein Land, dessen Wahlspruch „Hauptsach gudd gess!“ ist, selbstverständlich zu unserer ökologischen Nische gehört. Aber wir waren nörgelbereit und wachsam, schließlich hat man einen Ruf zu verlieren.
Ein kleines oder großes Familienunternehmen
Unsere Kernkompetenz war dann aber weniger gefragt, denn es gab kaum Anlass zum Nörgeln. Schon gar nicht am Hotel Leidinger in Saarbrücken, in dem die Reisegruppe an den ersten beiden Tagen untergebracht war: schönes Haus, nettes Personal, Slow-Food-Essen, eine Weinbar und ein gigantisches warmes Frühstücksbuffet.
Auch sonst war alles liebevoll überlegt und gut organisiert, mit kleinen Überraschungen wie dem Fahrrad-Taxi oder dem Retro-Bus, und mit Leuten, die sich etwas einfallen lassen, um ihren eigenen Laden aufzubauen oder voranzubringen.
Und das ist die eigentliche Geschichte – es war nämlich sowohl spannend als auch geradezu berührend, zu sehen, was Menschen tun, um ihren kleinen oder größeren Business-Traum zu leben. Und zwar dort, wo sie gerade sind. Selbst wenn sie im Keller oder im Hinterhof angefangen haben, anfangs nur als Hobby kochten und Partner oder Eltern anpumpen mussten, bis der Laden lief.
Vielleicht liegt das an diesem besonderen kulturellen Gemisch: Frankreich und Luxemburg vor der Tür, man atmet europäisches Flair, fährt zum Einkaufen über die Grenze und kann gerade deshalb einfach bleiben, wo man ist. Man rückt zusammen, und kehrt wieder, selbst wenn man jahrelang woanders war. Dann macht man einfach das, was Eltern und Vorfahren schon immer gemacht haben, und es ist gut so.
Klingt von außen provinziell, ist von innen gesehen aber natürlich – und die dazu passende Unternehmensform im Saarland ist das Modell „Familienunternehmen“: Fast alle, die wir besucht haben und die etwas mit Essen, Genuss oder schönen Dingen machen, betreiben ihr Business als Familie, als Paar-Projekt, als Mehr-Generationen-Geschäft oder als buchstäblich jahrhundertealten Betrieb.
Und fast alle waren Quereinsteiger, Leute, die ins Genießen als Profession erst reingewachsen sind oder einfach reingeworfen wurden.
Einfach mal anfangen
In der Fruchteria zum Beispiel, wo die Bloggerrunde nach der Ankunft empfangen wurde, verkauft Andrea Dumont Marmeladen, Brotaufstriche und Fruchtzubereitungen von Essig über Chutney bis Saft. Mit ihrem Mann wohnte sie früher nur gegenüber vom Hotel Leidinger und hatte viel von ihren selbst gekochten Marmeladen übrig. Die lieferte sie dem Hotel als Offenware für das Frühstücksbuffet.
Ihre Kirschkonfitüre schlug so ein, dass viele Gäste nachfragten und Andreas Mann irgendwann vorschlug: „Stell doch einfach mal ein Glas zum Kaufen im Hotel auf die Theke!“.
Das war der Anfang. Heute führt Andrea ihre Fruchteria als Laden direkt im Haus Leidinger. Es gibt Kreationen wie Mango-Rosmarin-, Aprikosen-Lavendel oder Birne-Portwein-Marmelade, Rosenlikör oder Chutneys, die sie auch online verschickt. Die Rohware oder zugekaufte Produkte wie Säfte, Sekt oder Fruchtessige stammen ausschließlich von regionalen Erzeugern, ein Qualitätsausweis, aber auch so eine Art Ehrensache, hier im Saarland.
Ganz ähnlich klingt die Geschichte von Christine Breyer aus dem Bliesgau, etwa 12 Kilometer vor Saarbrücken. Sie hat im Waschkeller angefangen, Marmeladen und Liköre zu machen, heute ist ihr Laden „MaLis Délices“ preisgekrönt und beliefert Gourmethandel und Spitzenrestaurants.
Und natürlich arbeitet, wie sollte es anders sein, Christines Mann im Geschäft mit. Er macht „alles, was Männer machen können“, wie Christine Breyer es ausdrückt – sie meint Kistenschleppen beim Einkauf und das Ausliefern der Ware.
Für ihr legendäres Walnuss-Pesto hat die bescheidene Köchin sogar in Brüssel eine Auszeichnung abgeräumt, ihr Hofladen auf dem Gut Hartungshof führt ein Sortiment an Delikatess-Aufstrichen, Pasten, Likören, Chutneys, Ketschup und Ölen. Die Saaten zu den Ölen stammen aus dem Biosphärenreservat Bliesgau und werden auf der der gutseigenen Ölmühle kalt gepresst.
Christine serviert uns Häppchen mit ihren eigenen Brotaufstrichen, darunter Crème Caramel mit Meersalz. Danach gibt es Mirabellenlikör, Mirabellen-Kuchen und eine Mirabellen-Quiche – die Pflaumenart ist hier das Nationalobst: Im benachbarten Lothringen und im Saarland werden über 70 Prozent der Weltproduktion geerntet, auch aus vielen alten Sorten.
Die alten Sorten und das Verarbeiten von Streuobst liegen Christine besonders am Herzen, sie folgt den Prinzipien von Slow Food, dem Verein zur Rettung der Esskultur vor dem industriellen Einheitsgeschmack. Dessen Grundsätze lauten „gut, sauber, fair“, was sich auf die Qualität der Produkte und Zutaten sowie Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bezieht. Die strengen Anforderungen erfüllt nicht jeder, Christine aber darf Jedes Jahr an der Slow-Food-Messe in Stuttgart teilnehmen, dem „Markt des guten Geschmacks“. Dort präsentieren streng ausgewählte Hersteller Lebensmittel und Delikatessen, die aus echter handwerklicher Produktion stammen und ohne Geschmacksverstärker oder Zusatzstoffe auskommen.
Essen aus 1001 Nacht: die Gewürzmanufaktur Rimoco
Dem Slow-Food-Gedanken folgen auch die Gründer eines klassischen Start-Ups, Ben und Richard von der Gewürzmanufaktur Rimoco in Saarbrücken.
Nach dem BWL-Studium und vielen Reisen in Asien und im Orient hatten die beiden noch während des Examens die Idee, in den Gewürzhandel einzusteigen. Die Eltern lieferten das Startkapital, den passenden Laden fanden die Jungunternehmer in einer alten Schreinerei von 1950: sechs Meter hohen Decken, alte Bleisprossen-Fenster, massive Werkbänke, Plankenböden mit passendem Gründercharme. Das Klo ist auf dem Hof, gekocht wird an einer großen Werkbank und mitten im Laden steht eine lange Tafel quer im Raum, an der 20 Leute sitzen können.
Die Gewürze sind in Bio-Qualität und werden von Hand in einer alten Gewürzmühle gemahlen, frisch gemischt und verpackt. Das gesamte Konzept basiert wie bei MalisDélices auf den Prinzipien von Slow Food: gut, sauber, fair. Beide Gründer sind Idealisten, haben ihr Geld bei der Ethik-Bank und reisen selbst nach Indien, in den Iran oder nach Afrika, um dort Produzenten zu suchen, sich die Plantagen und die Ernte anzusehen, die Arbeitsbedingungen kennenzulernen und Proben zu verkosten.
Wir dürfen dann selbst mischen: geröstete Cashew-Nüsse, Koriander und Kreuzkümmel samt Meersalz und Cayenne-Pfeffer werden zu Dukkah, einer nordafrikanischen Gewürzmischung, die wir, frisch in die Dose gefüllt, als Geschenk bekommen.
Dann gibt es Essen aus 1001 Nacht: Creme von Roter Bete mit Minze, Salat aus Feigen, Zitronenhühnchen mit Koriander, Butterkürbis, Auberginen und zum Abschluss das legendäre arabische Engelshaar-Dessert mit einer cremigen Mascarpone-Füllung.
Es ist alles toll, aber am besten ist das Engelshaar, das oft viel zu süß und klebrig gerät, von Quarkundso.de regelmäßig bemängelt. Doch diesmal mildert eine üppige Cremefüllung die penetrante Süße ab und die Teigfäden sind nicht komplett verkleistert, sondern noch rösch und locker. Und das, obwohl wieder eine Amateurin am Werk war: gekocht hat die gelernte Grafikerin Jessica Palm, eine Quereinsteigerin wie so viele, die wir hier kennenlernen. Sie kocht und catert für Gruppen von bis zu 100 Personen, nebenher führt sie noch eine Filmproduktion.
Die Juchems: Bauern und Müller seit Generationen
Den saarländischen Familienbetrieb in Reinkultur gibt es aber auch in etwas größer, bei der Familie Juchem von der Bliesmühle. Andrea Juchem, Geschäftsführerin, war die Initiatorin der gesamten Reise und führte die Blogger durch die Tour. Ihre denkmalgeschützte historische Mühle ist ein Haus wie aus dem Märchenbuch: einsam am rauschenden Bach, sechs Etagen hoch, Giebel, Balken, alte Speicher und Turbinen von 1910 (Techniker: „Die laufen wie ‘ne Eins, die tauschen wir nicht aus“).
In Schutzkleidung besichtigten wir das Labor, in dem die Mehllieferungen untersucht werden und bewundern den Stolz des Hauses, die modernen Sieb- und Reinigungsmaschinen. Hier lesen moderne Lichtfilter jedes einzelne schadhafte Korn heraus.
Die Mühle verarbeitet Weizen, Roggen und Hafer aus der Region, also aus dem Saarland, Lothringen und angrenzenden Gebieten. Getreide aus Übersee kommt nicht in die Tüte, darauf ist Andrea Juchem stolz: „Wir sichern in der Region Arbeitsplätze und wissen so auch, dass unser Getreide frei von Gentechnik ist“.
Aber Andrea Juchem ist nicht nur Geschäftsführerin, sie ist auch Bloggerin bei „Die Backschwestern“ und betreibt einen Laden mit Zubehör für Konditoren und Hobbybäcker.
Hier gibt es von Einhornfiguren bis zu Plätzchenformen, von Zuckerguss in verschiedenen Farben bis zu Schokobohnen alles, was in und auf Kochen oder Torten kommt, natürlich auch online. Die hauseigenen Back- und Mehlmischungen, zum Beispiel für Römerbrot mit Gerste und Emmer, für Porridges oder Muffins mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, enthalten nur das eigene Mehl.
Im Privathaus der Familie Juchem ging es danach ins alte Kellergewölbe aus dem 18. Jahrhundert. Und ans Brotbacken, wo sich die Chefin von Quarkundso.de durch das geschickte Formen eines Laibes hervortat.
Gut, die Brote der anderen waren genauso gelungen. Und den schon vor Tagen angesetzten Roggensauerteig hatte der Bäckermeister der Juchems mitgebracht, Herrgott nochmal, ja! Aber immerhin. Das Einschießen in den alten Holzbackofen, der in die Mauer eingelassen war, war jedenfalls ein echtes Erlebnis. Und das – eigene – Brot kam natürlich mit nach Hause, blieb eine Woche frisch (lange Teigführung!), schmeckte immer besser und wurde bis auf den letzten Krümel verputzt.
Zum Kochworkshop in einem historischen Wirtshaus kam sogar der Saarländische Rundfunk. Wir verweisen der Einfachheit halber auf den Bericht samt Königs-O-Ton von Quarkundso.de:
Im Schloss: Kaffeetafel für Freaks
Die nächste Station war nichts weniger als märchenhaft: eine Übernachtung im Schloss Saareck auf Einladung von Villeroy&Boch. Das von Wein überwucherte kleine Schloss hat den Charme alter Edgar-Wallace-Filme, alle Zimmer sind individuell eingerichtet, natürlich mit den weltberühmten Fliesen und edlen Bädern des Hauses. Wir wollen alles sehen, denn kein Bad gleich dem anderen, und so trampelt die Bloggertruppe begeistert durch die zwei von uns belegten Etagen, um das Zimmer jedes einzelnen Kollegen zu bewundern.
Im Salon erwartete uns eine Präsentation der neuen Kaffee-Serie von Villeroy&Boch, „Coffee Passion“, eine Sache für echte Freaks: Man brüht nämlich wieder von Hand. Statt fauchender Maschinen gibt es für jede Tasse einen Filter mit spiralig geformten Rillen. Die Tassen selbst sind in schlichtem Stil, einfach weiß, haben aber doppelte Wände, um die Wärme zu halten.
Das Aufgießen mit dem Quellen der Pulvers, erklärt uns Bier- und Kaffeesommelier Martin Rolshausen, holt das Aroma optimal heraus, wozu die Spiralrillen in den Filtern beitragen. Das jkubgt geheimnisvoll, und neugierig brühen wir alle unseren Kaffee auf. Dass diese schöne alte Ritual beruhigt und entschleunigt, ist ein erwünschter Nebeneffekt, wie wir erfahren, und der Kaffee ist tatsächlich grandios.
Einmal im Leben: in der Porzellanfabrik
Am letzten Tag geht das dann in die Porzellanfabrik – ein Highlight für Quarkundso.de. Wer weiß schon genau, wie all dieses herrliche Geschirr entsteht? Heute ist natürlich ein Großteil der Produktion automatisiert, samt Maschinen, die die Teller schneiden, und Robotern, die Glasuren auftragen. Aber der Anteil an Handarbeit bei Villeroy&Boch ist immer noch sehr hoch, die Porzellanmalerinnen malen auch Seriengeschirre von Hand.
Die Geschichte des Hauses ist ein echtes Stück Kulturhistorie, von der französischen Revolution bis heute über wichtige Stationen der Tisch- und Hygienekultur.
Die Geschäftsleitung – in der 8. Generation – hat daher schon vor Jahren viel Geld in die Hand genommen und ihre Firmengeschichte in einem Film vom großen Peter Ustinov erzählen lassen. Den Film kann man im Museum des Hauses anschauen, wo wir zum Abschluss die Abteilung Tafelkultur besichtigen.
Dort sind die legendären Mosaiken und Fliesen, die Mettlacher Platten zu sehen, die im 19. Jahrhundert Technikgeschichte geschrieben haben und vom Kölner Dom über Berlin und Petersburg bis nach Tsingtau in China verlegt wurden. Nach der Entdeckung der verschütteten Römerstadt Pompeji wurde Villeroy&Boch übrigens auch hinzugezogen, um die antiken Mosaike zu restaurieren.
Und natürlich gibt es Geschirr zu sehen – Quarkundso.de liebt schönes Geschirr! Besonders die klassischen Dekore, etwa das Rokoko-Motiv von Alt Luxemburg, seit fast 250 Jahren unverändert, oder, aus rein sentimentalen Gründen (unsere Jugend!) dieses Wildrosen-Service, das gefühlt in jedem zweiten bürgerlichen Haushalt der 1970er Jahren auf dem Frühstückstisch stand.
Wir fühlen uns daher gleich zuhause – und es kann kaum Zufall sein, dass die Chefin von Quarkundso.de ihren Tee jeden Morgen aus einer Kanne der alten Burgenland-Serie trinkt, die aus den 1930er Jahren stammt.
Villeroy&Boch vollendet hier auch das heimliche Motto der Reise, das Thema „Familienunternehmen“, jetzt natürlich in Übergröße, als eine der berühmtesten Unternehmerfamilien Europas.
Genauer gesagt ist es natürlich ein Zwei-Familienunternehmen, entstanden durch zwei Keramik-Unternehmer des 18. Jahrhunderts, die 1836 fusionierten. Zum Glück verliebte sich dann der Sohn des Herrn Boch, Eugen, in die Tochter des Monsieur Villeroy, Eugenie. Und so steht eine Liebesheirat am Beginn des Aufstiegs zur Weltmarke – was für eine herrliche (Familien-)Geschichte.
©Johanna Bayer
Die Backschwestern, der Blog von Andrea Juchem
MaLis Délices von Christine Breyer
Die Fruchteria von Andrea Dumont
Tourismus Zentrale Saarland GmbH mit Infos zu Urlaub und Kurzreisen
Andrea
Liebe Johanna,
na wie könnte ich denn meine (höchst kritische und mit spitzer Feder und Zunge gesegnete) Lieblingsbloggerin nicht einladen?
Es freut mich, dass es dir bei uns so gut gefallen hat (hab ich natürlich drauf gehofft, aber you never know was Frau Dr. Johanna bei ihren Recherchen so alles aufdeckt).
Deinen Blogpost habe ich beim ersten Mal Lesen hastig verschlungen und beim zweiten Mal habe ich ihn mir auf der Zunge zergehen lassen. Ganz slow food mäßig.
Schön, dass du da warst.
Andrea