Gefundenes Fressen

Kurvige Models oder Dicke im Bild – BRIGITTE.de und das Problem mit dem Übergewicht

Auf einer Modenschau für Badeanzüge waren üppige Models auf dem Laufsteg, dagegen gab es Kritik: Mediziner fürchten ein falsches Körperideal. Das Frauenportal BRIGITTE.de verwahrt sich mit einem empörten Zwischenruf und findet, die Ärzte sollten die Klappe halten. Doch ist das wirklich sinnvoll? Zumal BRIGITTE.de vom Geschäftsfeld „Plus Size“ selbst ganz schön profitiert. 

 

Übergewichtige Frau posiert in braunem, elegantem Kleid in schöner Landhausküche

Dick und schön: Ja, das geht.

Nicht, dass es heißt, wir hätten irgendein Blatt oder einen Sender speziell auf dem Kieker, nur weil BRIGITTE.de wieder dran ist.

Ehrlich, die Kandidaten sind Legion, alle können jederzeit dran kommen.

Die Auswahl richtet sich nur nach den strengen journalistischen Kriterien von Quarkundso.de. Zum Beispiel danach, was gerade aktuell oder besonders platt oder, umgekehrt, eher verzwickt ist.

Aktuell ist zum Beispiel das Thema „Kurvige Models“, neudeutsch: „Curvy Models“, also füllige Frauen, oder sagen wir es deutlich: Dicke im Bild.

Dazu hat BRIGITTE.de einen empörten Zwischenruf gelandet. Es geht konkret um dicke Damen bei der Zeitschrift Sports Illustrated. Das ist eigentlich ein Sport-Magazin, aber einmal im Jahr bringt der Verlag ein Extraheft mit Bademoden heraus.

Im August 2017 hat das Magazin dazu eine Live-Modenschau in Miami veranstaltet und auch ungewohnt üppige Frauen auf den Laufsteg geschickt. So richtig große Figuren waren dabei, nicht unbedingt das, was man „normalgewichtig“ nennen würde.

 

Empörter Zwischenruf

Jedenfalls trug die Aktion Sports Illustrated weltweit Kommentare ein, unter anderem von einer australischen Lifestyle-Journalistin und einigen ebenfalls australischen Medizinern im Daily Telegraph.

Die vorgebrachten Einwände: Nur weil die Modeindustrie nicht mehr nur runtergehungerte Kleiderständer als Mannequins zeigt, sollte nicht gleich das andere Extrem gefeiert werden. Das propagiere ein falsches, ungesundes Körperideal.

Fettleibigkeit, so ein australischer Adipositas-Fachmann, sei gesundheitsschädlich und nicht erstrebenswert. Stark Übergewichtige als positive Vorbilder in Mode und Medien zu zeigen, setze das falsche Zeichen. BRIGITTE.de kommentiert:

„Da laufen endlich mal kurvige Models über den Catwalk und was passiert? Von diversen Seiten hagelt es Kritik.“

Und legt nach, die eingesetzten Models seien gar nicht fettleibig gewesen:

„Fettleibigkeit“? Wie bitte?! Die Models, die hier über den Catwalk liefen, wirken alles andere als krankhaft „fettleibig“. Sarina und ihre kurvigen Kolleginnen machen in der Bademode eine heiße Figur.“

Übergewicht ist ein Problem

Tja. Der Fall ist knifflig.

Einerseits ist der Zwischenruf von BRIGITTE.de natürlich lieb gemeint. Für die Leserinnen gedacht, für alle Frauen, für ihr Selbstwertgefühl und ihre Körper. Und natürlich verwahrt sich Quarkundso.de energisch gegen jedes Dicken-Bashing, Body-Shaming, Fat Shaming und generell gegen Diskriminierung.

Aber wenn man den Original-Kommentar der australischen Journalistin liest, und die Einschätzungen der Ärzte darin, wird deutlich: Sie argumentieren sehr vernünftig. Und überdies aus australischer Perspektive.

Die Kolumnistin spricht von Größen ab 46 aufwärts, so schätzt sie die Körper auf der Bühne ein. Von der trügerischen Normalität, die es hat, wenn sich eine Gesellschaft an so füllige Figuren gewöhnt und sie positiv bewertet. Von dem riesigen Adipositas-Problem in Australien, von erschreckenden Zahlen. Das Land ist von einer grassierenden Fettleibigkeitsepidemie betroffen, es gibt dort ungewöhnlich viele stark Übergewichtige.

Weltweit steht Australien damit recht weit oben im Ranking, hinter den Dicken-Hochburgen USA, Mexiko und Neuseeland. Die Situation macht Politikern Sorge, wegen der Gesundheit der Bevölkerung – und vor allem wegen der explodierenden Kosten. Im Debatten-Artikel des Daily Telegraph treten Mediziner auf, die alles bestätigen. Zumal der oben zitierte Adipositas-Experte.

Warum sollten aber ausgerechnet Ärzte nichts zu dem Thema sagen dürfen, und dafür die Online-Mädels von BRIGITTE.de? Und wer weiß eigentlich in der Sache besser Bescheid?

 

Lieber Experten fragen

Denn klar ist: Vorher, bei der jahrelangen Kritik am Magerwahn im Modelbusiness war Expertenrat von Ärzten und Ernährungswissenschaftlern sehr gefragt. Die erzwungene Magerkeit der Models schädigt schließlich direkt die Gesundheit der jungen Frauen, noch dazu kann sie der Einstieg in eine lebensgefährliche Anorexie sein. Das mussten Mediziner dauernd erklären, damit die Warnungen auch Gewicht bekamen.

Jetzt aber sollen sie nichts sagen, zu den „curvy Models“. Schwierige Sache.

Im Fall der Online-Mädels von Gruner&Jahr geht es außerdem noch um so etwas wie die Deutungshoheit: Sind die gezeigten Frauen wirklich fettleibig? Oder nur übergewichtig, oder halt nur weiblich, „real women“, wie auf Twitter gejubelt wurde, also „kurvig“?

Die Frage ist, ob BRIGITTE.de das beurteilen kann. Und sollte.

Oder ob das nicht Ärzte besser tun sollten. Und können.

Schließlich ist Übergewicht, wir wissen es durch die unablässige Kritik am rechnerischen BMI, eine Blickdiagnose: Der Arzt sieht, wer Übergewicht hat und wer nicht. Dazu muss der Patient nicht einmal auf die Waage steigen.

Es gilt der alte Spruch aus den Zeiten der ersten Pornofilm-Urteile: „I know it when I see it“.

 

Screenshot BRIGITTE.de mit Titel zu Sports Illustrated

Screenshot: Titel von BRIGITTE.de, August 2017. Im Bild: Sarina Nowak

Screenshot_BRIGIT_1

Screenshot: Model bei Sports Illustrated auf BRIGITTE.de, August 2017.

Da stört dieser Journalismus

Es wäre wirklich spannend gewesen zu hören, was deutsche Adipositas-Experten zu den Fotos und dem gestreamten Video sagen – ob sie die Frauen für übergewichtig bis fettleibig oder für wohlgeformt und normal halten.

Denn was interessieren uns die Australier? Da kommt dieser Journalismus noch einmal ins Spiel: Relevanz und Nähe hätten gezählt, also, was deutsche Experten sagen.

Gut, online muss es immer schnell gehen, da kann man sich den Journalismus schon mal schenken. Außerdem sollte es wohl so etwas wie ein Kommentar sein. Ohne Recherche. Ohne zweite Meinung. Ohne Experteneinschätzung. Einfach so, schnell rausgeschossen.

Logo Goldener Blogger

Die Goldenen Blogger: Nominiert als einer der vier besten Foodblogs 2015

Aber ein Kommentar funktioniert vor allem, wenn er Substanz hat. Meinung alleine genügt nicht.

Die Frage nach der Deutungshoheit ist dabei weiterhin interessant: Was ist normal? Und wurde auf dem Laufsteg von Sports Illustrated echte Vielfalt gezeigt, modisch „Diversity“?

Die Wirklichkeit, wie sie uns auf der Straße begegnet?

Letzteres natürlich nicht. Schließlich mussten die Hässlichen, Unansehnlichen mit ihren Pickeln und dünnen Haaren zuhause bleiben, und erst recht die Alten. Gammelfleisch im Bikini will schließlich keiner sehen, dabei soll Sport im Alter doch so gesund sein.

Scherz beiseite.

Es sollte klar sein, dass eine Modenschau nie die Realität abbildet, sondern Ideale zeigt. Nach denen strebt die Kundschaft, indem sie kauft. Es ist heuchlerisch, etwas anderes zu behaupten, wie es BRIGITTE.de und andere tun.

 

Die normative Kraft des Faktischen

Mann mit dickem Bauch versucht, Jeans zu schließen

Immer öfter im Weg: die Plautze. Die Mehrheit stört sich kaum mehr daran. Bild: Shutterstock

Im Alltag, auf der Straße, da ist die Realität aber zu sehen: Die Deutschen sind so dick wie nie.

So hieß es Anfang 2017, nachdem die DGE ihre neuesten Zahlen zum Übergewicht veröffentlich hatte.

Darunter sind viele Adipöse mit 20, 30, 40 Kilo zu viel auf den Rippen.

Rein statistisch gesehen ist rund die Hälfte der Deutschen zu dick, Ältere mehr als Jüngere, Männer noch mehr als Frauen, Frauen dafür teilweise extremer.

Augenfällig wird das oft auf dem Land und in bestimmten Situationen: Wirtshaus, Volksfest, Campingplatz, Kegelverein. Da sind Normalgewichtige in der Minderheit. Ab dem mittleren Lebensalter, so ab 40, scheint der Anblick von 15 bis 20 Kilo Übergewicht, zum Beispiel in Form eines imposanten Bauches oder ausladenden Hüftspecks, ganz selbstverständlich.

In höheren Altersklassen ist die Körperfülle vorherrschend: Dass Oma gemütlich aus dem Leim geht, wird geradezu erwartet. Das Gegenteil, die schlanke Oma oder der fitte Opa sind die Ausnahme („Wie haben Sie das nur geschafft…“).

Die normative Kraft des Faktischen prägt den Blick. Und in diesem Sinne wird Übergewicht von interessierten Kreisen gerne „normal“ genannt.

 

Lamento der Gesundheitsschützer

Dicke Frau mit Bikini am Strand beim Sonnenbaden

Normaler Anblick. Aber harmlos für die Gesundheit ist das nicht. Die Frage bleibt. Bild: Shutterstock

Die dazugehörigen Gebresten – darunter Diabetes, künstliche Hüften und Knie, Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Gallensteine, Fettleber – lassen zwar regelmäßig Krankenkassen, Politiker, Ärzteverbände und Gesundheitsschützer ein Lamento anstimmen.

Aber das ist, so Anti-Diskriminierungsgruppen wie die „Fat Acceptance“- und Body-Positivity-Bewegung, weder wissenschaftlich begründet noch politisch korrekt.

Was die Wissenschaft angeht, haben die Aktivisten zwar Unrecht, darüber ist man sich in allen Ländern einig. Aber das stört sie nicht im Geringsten.

Und so laufen gesellschaftlich relevante Anliegen unverbunden nebeneinander her ins Leere: Die Dicken kämpfen gegen Diskriminierung, Frauen wollen stolz auf ihren Körper sein, aber Ärzteverbände und Politiker wollen Übergewicht bekämpfen und verlangen eine Steuer auf Süßes und Fettiges.

Die Lage ist paradox, die Debatten sind kontraproduktiv und insgesamt sitzen wir damit in einer bösen Falle.

Wie wir aus dieser Nummer rauskommen sollen, ist vollkommen unklar. Denn so „normal“ Übergewicht erscheint: Es ist eine ernsthafte Gesundheitsgefahr für die Betroffenen und ein Problem für die Gesellschaft als Ganzes. Weltweit.

In der aktuellen Debatte rücken aber der Schutz vor Diskriminierung, der – unerwünschte – Normendruck durch die Gesellschaft und die Behinderung der persönlichen Freiheit – wie ich mich gut fühle, bestimme ich! – in den Vordergrund. Und so gibt es zur Bewegung der „Fat Acceptance“ selten Gegenstimmen.

 

Diskriminierung und Übergewicht bekämpfen – beides tut Not

Nur wenige wagen es, Klartext zu reden. Einer ist der Münchner Psychiater Dr. Peter Teuschel.
Er hat dazu einen Blogbeitrag auf dem Medizinportal Doccheck veröffentlicht. Darin betont er, dass Übergewichtige und Fettleibige vor Diskriminierung geschützt werden müssen und ein Recht auf Anerkennung haben – einerseits.

Andererseits warnt er entschieden davor, Übergewichtige zu Stolz auf ihren Körper zu motivieren und ihnen zu suggerieren, ihr Zustand sei wünschenswert, normal, ein Ausdruck von „Diversity“ oder ein politisches Statement.

Und er fordert klipp und klar, dass die Betroffenen sich der körperlichen und psychischen (!) Folgen bewusst werden und in Behandlung gehen sollten:

„Wie so oft bringt es nichts, sich in die eigene Tasche zu lügen und als jemand, der sowohl sehr viel mit Diskriminierung als auch mit medizinischen Folgen von Adipositas zu tun hat, kann ich nur sagen: Macht es euch nicht so einfach!“

Exakt das war auch die Stoßrichtung der Meinungen aus Australien: Es nützt nichts, die traurige Realität abzubilden oder ihre Abbildung einzuklagen, um Diskriminierung abzubauen. Übergewicht ist ein Problem und sollte kein Vorbild sein. Das gilt auch in Deutschland.

 

Es geht auch um Geld

Aber die Kasse muss ja stimmen. Und Frauen müssen was zum Anziehen haben. Da sieht sich  BRIGITTE.de in der Verantwortung.

Das neue Lebensgefühl von „Plus Size“ und „Curvy Models“ ist daher längst Thema und die Redaktion schlägt damit drei Fliegen mit einer Klappe: Sie feiert ein neues weibliches Selbstbewusstsein – Kurven! Echte Frauen! -, kämpft publikumswirksam gegen Diskriminierung und, Achtung, bindet neue Zielgruppen.

„Plus“ hat schon eine eigene Kategorie bei BRIGITTE.de und die Redaktion kooperiert unter anderem mit Happy Size, einem Hersteller von Kleidung für Üppige. Auch Bon Prix und C&A, stark im Übergrößen-Sortiment, zeigen Mode bei BRIGITTE.de.

Die Redaktion schreibt dazu gerne als Bericht getarnte Werbeanzeigen, die in redaktioneller Form daherkommen. Sie sind zwar als „Anzeige“ gekennzeichnet, aber wer schaut schon auf das Kleingedruckte, wenn der Artikel sich von anderen überhaupt nicht unterscheidet, weder in Layout noch in Stil und Duktus? Diese Werbeform ist erlaubt und außerdem clever, was das Erschließen neuer Kundenkreise angeht.

 

Anzeige_BRIGITTE

So sieht das aus: Werbung für Happy Size, die Modefirma, im Gewand von BRIGITTE.de. Kein Unterschied zu normalen Artikeln, bis auf das Kleingedruckte. Bild: Screenshot, der Artikel ist inzwischen übrigens gelöscht (Stand 19.2.2018).

Nur erscheint der Maulkorb für Ärzte, den die Redaktion beim Thema dicke Models verhängen will, auf diesem Hintergrund in ganz neuem Licht: Steht bei BRIGITTE.de die Warnung vor Übergewicht und seinen Folgen aus geschäftlichen Gründen jetzt zurück?

Hemmt die neue Gewinnzone „Plus Size“ etwa kritisches Nachfragen, Nachdenken, Recherche, auch nur Reflexion?

 

25 Kilo und fünf Kleidergrößen

Der Verdacht liegt leider nahe, und der Zwischenruf ist dafür ein Beispiel.

Logo Wissenschaftsblog 2015

Wissenschaftsblog 2015: Sonderpreis der Redaktion „Wissenschaft kommuniziert“

Außer dem Verzicht auf eine Expertenmeinung steckt nämlich noch eine kleine Bombe drin: Eines der kurvigen Models, die in Miami für Sports Illustrated über den Laufstieg gingen, war die Deutsche Sarina Nowak.

Sie war 2009 Kandidatin in Heidi Klums „Germany`s Next Top Model“ – und damals etliche Kilo leichter, wie die Redaktion schreibt:

„Zur Fashion Show in Miami zeigte das legendäre Bademoden-Magazin ‚Sports Illustrated‘ erstmals auch acht Plus-Size-Models in Bikinis und Badeanzügen.

Unter ihnen: Ex-GNTM-Kandidatin Sarina Nowak, die heute 25 Kilo mehr auf den Rippen hat als zu Zeiten der TV-Show.“

25 Kilo mehr. Das ist enorm, eine Gewichtsschwankung, die bedenklich ist. Es kann nicht sein, dass das der Redaktion einer Frauenzeitschrift komplett entgeht.

Zumal Sarina Nowak sich den halben Zentner, wie mehrere Klatschblätter übereinstimmend berichten, in ziemlich kurzer Zeit draufgeschafft hat, nämlich in nur etwa 10 Monaten. Das ist schon ein dicker Hund, sorry für das Bild, aber nun ja. So jemanden würde man normalerweise zum Arzt schicken (was mit den Drüsen?).

Selbst wenn Frau Nowak in, sagen wir mal, drei Jahren die 25 Kilo und damit vier bis fünf Kleidergrößen zugelegt hätte, ist der Sprung gewaltig. Sie selbst beklagt außerdem, ebenfalls in diversen Klatschblättern, dass sie vorher im Modelbusiness qualvoll habe hungern müssen, um auf Größe 34 zu kommen und jetzt einfach nur ihre natürliche Figur zurückgewonnen habe.

Das heißt: Erst Wohlfühlfigur, dann jahrelang hungern, sich quälen, dann wieder nachlassen und erheblich in die Breite gehen – das klingt alles nicht gut. Jedenfalls nicht so, dass man Frau Nowak zu dieser Achterbahnfahrt beglückwünschen möchte.

Wohl aber zur neuen Karriere, dazu gleich mehr.

 

Der gefährliche Jojo-Effekt

Vorerst fühlt man sich an Essgestörte erinnert, prominentes Beispiel: Joschka Fischer. Der hungerte sich vom Moppelchen zum drahtigen Marathonläufer herunter, ging danach wieder in die Breite und wiederholte den Ablauf mehrmals. Zurzeit ist er dick.

(Update April 2018: Sarina Nowak, Magersucht und Bulimie jetzt öffentlich, s. Link unten)

Dass dieser Jojo-Effekt gesundheitsschädlich ist, predigen Ärzte seit Jahrzehnten, und sie warnen ausdrücklich davor. Es ist erwiesen, dass Menschen, die schnell abnehmen – oder sehr stark zunehmen – häufiger Herzinfarkte und Schlaganfälle erleiden, auch steigt das Risiko für Gallensteine, Leberprobleme und schlechte Blutwerte.

Deshalb raten Ärzte dazu, nur langsam abzunehmen. Und nicht übermäßig zuzunehmen, aus vielen Gründen. Es ist erstaunlich, dass ein Frauenportal, das sich so mit Gesundheitsthemen beschäftigt wie BRIGITTE.de, diesen Aspekt völlig ausklammert.

 

Plus Size, Baby!

Was Frau Nowak angeht, muss man aber auch die Realitäten sehen. Bei ihr ging es vielleicht viel weniger um den Ausdruck ihres Selbst und das Wiedergewinnen einer natürlichen Figur als ums Geschäft.

Hier spekuliert Quarkundso.de gerne ein wenig: Die Modelbranche ist ein eiskaltes Business. Nowak hatte aber seit 2009, als sie bei Heidi Klum auftrat, nur mäßigen Erfolg: Platz 6 in der Show, danach dümpelte die Karriere vor sich hin.

Vielleicht hat die junge Frau sonst keine großen Berufsalternativen für sich gesehen, jedenfalls könnte sie bei einem wieder mal enttäuschend verlaufenen Casting von einem cleveren Agenten einen Tipp bekommen haben: „Deine Figur ist für uns nicht das Richtige, aber versuch es doch mal mit Plus Size, Baby! Da geht gerade was.“

Und – zack! – hat sie sich wie eine Leistungssportlerin auf Kampfgewicht gebracht: 25 Kilo mehr in zehn Monaten. Von Size Zero auf Größe 40. Pünktlich zur nächsten großen Saison war sie einsatzbereit.

Das würde die kurze Zeitspanne erklären, in der Nowak ihr Gewicht so enorm verändert hat: Sie hat begriffen, dass sich ein lohnendes Geschäftsfeld eröffnet und schnell gehandelt. Die Bereitschaft und die Fähigkeit zu diesem Körpereinsatz könnten allerdings auch riskant sein.

Quarkundso.de wird das daher nicht nachmachen. Wir empfehlen es auch anderen nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist nämlich hoch, dass wir keinen Modelvertrag bekommen, aber dafür vielleicht Diabetes. Oder eine künstliche Hüfte, irgendwann.

Das Ganze ist, wie gesagt, ausdrücklich reine Spekulation. Aber wir sind ja nicht doof. Und Sarina Nowak auch nicht.

©Johanna Bayer

Ein Hinweis zu KOMMENTAREN, aus gg. Anlass: Bitte im Impressum nachschauen. Dort steht, dass anonyme, beleidigende oder unsachliche Kommentare nicht veröffentlicht und nicht beantwortet werden.

 

BRIGITTE.de zur Modenschau von Sports Illustrated

Kommentar der australischen Lifestyle-Kolumnistin Soraiya Fuda zu Sports Illustrated

Australische Ärzte zum Thema

Psychiater und Medizin-Blogger Dr. Peter Teuschel über die Verharmlosung von Übergewicht

Tatsächlich: Unser Beitrag ist vom 6.10.2017. Was Sarina Nowak angeht, wurden wir dabei der bösen Spekulation bezichtigt. Aber die war als solche nicht schlecht: Am 5.4.2018 erklärt Sarina Nowak in der Promi-Show „Red“ auf ProSieben dass sie als Teenager magersüchtig war und an Bulimie litt, also an manifesten Essstörungen.

 

 

  1. Claudia Winkel

    Viele wenn nicht die allermeisten Personen werden mit der grundlegenden Fähigkeit geboren ihr Gewicht autonom zu regulieren. Manchen ist das von Anfang an kaum gegeben.

    Aber die meistens Dünn gebliebenen und nie Dick gewordenen sind diejenigen, die die Theorien aufstellen und Ernährungsprogramme gestalten und durchführen und verstehen einfach nicht das die Regulationsmechanismen so unterschiedlich sein können.

    Natürlich bleibt der Faktor das man mit weniger Energiedichte sein Gewicht regulieren kann, aber die Unterschiede und individuellen Bedingungen sind erheblich.

    Gibt es Sport auf Rezept? Nein, jedenfalls nichts was den Begriff bedient. Es gibt in der Regel nur Rehasport.
    Sportgeräte wie Schuhe zum laufen oder Fahrräder oder Fitnessclub? Nein. Gibt es auch nicht.
    Gibt es alltägliches Ernährungscoaching oder villeicht eine Form von Essen auf Rädern mit individuell abgestimmten Ernährungsplänen für Betroffene auf Rezept? Nein.

    Was gibt es dann? Den Hammer der Eigenverantwortung. Ganz klar, für sein Körpergewicht sollte jeder Verantwortung übernehmen. Aber nicht jedem ist es leicht gemacht diese Verantwortung zu übernehmen.

    sry für trippleposting, ich wollte das aber unterbringen. Ich mag ja Ihren Blog. Bei dem Thema gehts mir aber oft zu oberflächlich zu. So ähnlich wie bei z.B. ADHS – sehr komplexe und nicht leicht zu verstehende psychiatrische Störung – aber jeder hat ne Meinung dazu und so ists mit Übergewicht eben auch.

    • Hana Mond

      Viele Krankenkassen bezuschussen Sportkurse (kein Rehasport, sondern z.B. Pilates) durchaus, teils zu hohen Prozentsätzen. Das ist natürlich nicht „Der Arzt stellt ein Rezept aus“, sondern man muss sich selbst umschauen – ja, der Hammer der Eigenverantwortung, aber es geht nunmal um erwachsene Menschen, die MÜSSEN diese Verantwortung für sich selbst übernehmen. Wer überfordert ist und Beratung braucht, für den gibt es ja diverse Anlaufstellen, angefangen beim Hausarzt.
      Der kann z.B. dann auch zur Ernährungsberatung weiterschicken, so geschehen bei meinem Partner.

      Wer will, findet Wege … und das „Erstmal die bequeme Komfortzone wirklich verlassen wollen“ ist die größte Hürde; wenn das nicht gegeben ist, bringen auch Sport auf Rezept und gesponsertes Essen auf Rädern nix.

  2. Andrea Lempp

    Das ist wohl so.

    Es gibt eine nette Geschichte über Marilyn Monroe. (Für den Wahrheitsgehalt übernehme ich allerdings keine Garantie 😉 ) Sie ist ja so ein bisschen ein Flagschiff dafür, dass früher kein „Magerwahn“ grassierte. Marilyn hatte Größe 42, gut, amerikanische Größe, dürfte aber nicht den riesigen Unterschied machen. Nun sollte ein Kleid von ihr versteigert werden. Das vorhandene (Durchschnitts-) Model konnte das Kleid leider nicht vorführen, sie bekam es nicht zu.

    Der BMI vergangener und heutiger Stars unterscheidet sich wohl auch nicht groß. Nur sehen die heutigen dünner aus, weil die Diskrepanz zur Durchschnittsfrau größer ist.
    (Ich glaube, ich habe das im Buch „Fettlogik überwinden“ gelesen)

  3. Sebastian Frey

    „Wo ich wieder am Anfang wäre. Wie man es macht …
    Bringt man dünne Frauen passt es nicht, kommen Dicke auf die Bühne ist es auch Mist.“

    Wie wäre es einfach mal mit „normalen“ Models?
    Das ist m. E. das Grundübel in der Modelbranche. Die Größe-34-Models sind unnormal dünn – das wird kritisiert. Als Antwort darauf werden jetzt Größe-46+-Models gezeigt, die unnormal dick sind. Das macht die Sache kein bisschen besser und wurde hier – zurecht – kritisiert.

    Wollte man wirklich ein „gesundes“ Ideal vorstellen, wären es die Kleidergrößen 38-42, meinetwegen auch bis 44. Aber die erregen eben kein Aufsehen und damit keine PR – und nur darum dürfte es bei dieser Aktion gegangen sein. Diesen Hang ins Extreme beobachte ich schon seit längerer Zeit in den (privaten) Medien. So gibt es inzwischen keine „Filme“ mehr, sondern jeder Streifen, der in der Prime-time läuft ist mindestens „Blockbuster“. Wenn es kein C-Movie mehr ist, wird er mittlerweile sogar als „Mega-Blockbuster“ angepriesen. Medienberichte werden auf die gleiche Weise dramatisiert und dieser Logik folgt eben auch die Modebranche.
    Dagegen hilft vermutlich nur massiver öffentlicher Widerstand, der abnorme Körpermaße in beide Richtungen ablehnt. Dann kommen aber vermutlich diverse Gruppierungen und sprechen von „Konformismus“, der natürlich grundsätzlich böse und abzulehnen ist.

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Lieber Sebastian Frey, danke für den Kommentar. Ja, das ist eine Frage, die mich auch umtreibt: Wo bleibt das – gesunde – Mittelmaß? Schlichtes Normalgewicht, in den Spektrum, den der BMI dafür vorgibt. Und das ist doch recht großzüßgig. Die Frage ist, warum es nicht ein gesellschaftliches Ideal sein sollte, danach zu streben. Nicht nach optimaler Schlankheit, Fitness, Schönheit. Sondern schlicht nach einem normalen, gesund erhaltenden Gewicht mit einem gewissen Spielraum nach oben, zum Beispiel. Der liegt im Rahmen von BMI 25-26, bei leichtem Übergewicht, das sind so 3-5 Kilo mehr als Normalgewicht. Die kriegt man leicht drauf – und mit etwas Disziplin auch wieder runter. Pfui, böses Wort – Disziplin! 😉 Aber es hilft alles nichts. In den heutigen Zeiten müssen wir, um Normalgewicht als Erwachsene zu halten, schlicht und einfach Disziplin haben. Kultivieren.
      Ich spreche hier nicht von chronisch Kranken und Adipösen, die von Jugend an einen gestörten Stoffwechsel haben und Gewichtsprobleme haben. Sondern von der großen Masse. Die große Masse muss sich halt etwas am Riemen reißen. Disziplin ist zumutbar. Dann geht das schon. 🙂

    • Andrea Lempp

      Hm, ich weiß nicht ob man das an Kleidergrößen festmachen kann.
      Ich bin jetzt auf BMI 22 Komma Irgendwas runter, also mitten im Normalbereich und passe, zu meiner Überraschung, in Größe 34. Als besonders dünn betrachte ich mich nicht.
      Übrigens wurde meine Erwartung, dass das Einkaufen jetzt einfacher sei, nicht erfüllt. War ich vorher verzweifelt auf der Suche nach Klamotten die nicht sitzen wie Pelle auf Wurst, bin ich jetzt verzweifelt auf Suche nach Klamotten die nicht arg schlabbern. Also mitten im Normalgewicht und doch nicht „normal“ *seufz*

      • Kommentar des Beitrags-Autors

        Interessante Antwort, Andrea. Das sind die neuen „Schmeichelgrößen“ 🙂 Es ist ja wirklich nicht so, dass die Modeindustrie nur noch kleine Größen produziert und die üppigeren Frauen das Nachsehen in der Mode haben. Das Gegenteil ist aus meiner Sicht der Fall – immer mehr große Größen, und die bisherigen Konfektionsgrößen wurden nach oben angepasst.

  4. Johanna, mir fällt das auch auf, in allen Bevölkerungsschichten und sozialen Milieus, ob Mann oder Frau oder Jugendliche. Erschreckend ist die Zahl der Übergewichtigen eben auch in der deutschen Gesellschaft. Ich sehe mir dann gerne auch mal dünne Models an, einfach der Ästhetik Willen. Ich finde Dünne halt schöner als Dicke. Obwohl ich selbst nicht zu den Dünnen gehöre. Aber die Brigitte Kampagne macht als Rollenmodell Sinn, obwohl das natürlich nicht als Freibrief dienen soll.

  5. Tja .. wie man es macht ist es falsch und immer wird es kontroverse Meinungen zu dem Thema geben.
    Egal ob in Australien oder Deutschland. Adipositas ist Adipositas und ist eine Krankheit. Das hat man mittlerweile sogar in Deutschland erkannt. Dummerweise hat man vergessen Therapien und Behandlungspfade zu etablieren. Dies überlässt man lieber dem zweiten Gesundheitsmarkt. Man wartet ab, bis die Begleiterkrankungen auftreten.
    Zusätzlich ist es teilweise „gefährlich“ einen adipösen auf sein / ihr Übergewicht anzusprechen und natürlich geht es den meisten gut.
    Was sollen die denn auch sagen? Da wären wir dann beim Thema Stigma und Diskriminierung.
    Ich erspare uns nun die ganzen Vorurteile, denen wir uns als Dicke ausgesetzt fühlen.

    Wo ich wieder am Anfang wäre. Wie man es macht …
    Bringt man dünne Frauen passt es nicht, kommen Dicke auf die Bühne ist es auch Mist.

    In einem gehe ich auf alle Fälle mit. Man hätte trotzdem zum Beispiel eine Deutsche Adipositas Gesellschaft mit einbinden können. Denn dann hätte das vielleicht auch was inhaltlich zum Thema beigetragen. Ich vermute nur, dass dies so gar nicht die Intention war. Und wahrscheinlich kennt man die dort gar nicht.

    Dicke Models bringen Aufregung und „Klicks“. Ebenso wie Geschichten über schwer Übergewichtige, die „mal eben“ mit einem chirurgischen Eingriff 80 oder 100 kg abgenommen haben, ohne dabei zu hinterfragen wie es soweit kommen konnte und weshalb unser Gesundheitssystem diese im Stich…

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Vielen Dank für diesen Kommentar und die Schützenhilfe, gerade aus einer Adipositasinitiative. Die Debatte ist wirklich verzwickt, und ich stimme zu – auch die stark Übergewichtigen sind dabei Opfer. Vielleicht gerade die. Es nützt ihnen dabei aber wahrscheinlich nichts, wenn man einerseits ihr Selbstbewusstsein stärkt („Sei wie Du bist“) und andererseits darauf hinarbeitet, dass sie wenigstens doch ein bisschen abnehmen, damit die größten Gefahren abgewendet werden. Das bringt sie doch in eine paradoxe, verwirrende Lage. Das Problem beschreibt Dr. Teuschel so schön. Auf jeden Fall ist es verlogen, ihnen vorzumachen, es gäbe kein Problem, wie es gerade die Tendenz ist. Dann lieber Klartext.
      Viele Grüße
      Johanna von Quarkundso.de

  6. Das Zitat von Brigitte klingt so, als ob die Redaktion annimmt, dass es bei „Adipositas“ viel subjektiven Interpretationsspielraum gibt, ob man jetzt jemand adipös (im Sinne von zu dick) findet oder nicht. Aber die Medizin meint mit diesem Arbeitsbegriff eigentlich nur einen BMI ab 30, der halt statistisch mit gewissen Risiken korreliert.

    Was eine Steuer auf Süßes und Fettiges angeht: Verbrauchssteuern sind ungerecht, weil die Unter- und Mittelschicht einen größeren Anteil des Einkommens für Konsum verwendet als die Gutverdiener und Reichen. Man braucht also sehr gute Argumente, wenn man welche einführen will – Wunschvorstellungen reichen mir da nicht ganz.

    Wenn man unbedingt bei den Steuern ansetzen wollte, wäre Alkohol eine bessere Zielscheibe für Steuererhöhungen als Sahne, Wurst und Schokolade – Alkohol macht auch dick, ist insgesamt schädlicher und es gibt genug Indizien, dass höhere Preise und strengere Regeln für den Verkauf etwas bewirken. Aber viele Ärzte glauben ja selbst, dass das tägliche Viertele Wein nix schadet …

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Liebe Irene,
      ja, in der Tat. BRIGITTE.de operiert von einer Position der Art „jetzt wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen“ aus. Aber genau deswegen finde ich, sie hätten Fachleute zu dem Thema und zu ihrer eigenen Wahrnehmung befragen müssen (das wäre dieser Journalismus gewesen). Die Haltung „Wir denken selbst und finden, ein paar Kleidergrößen zu viel nicht so schlimm“ ist Populismus und intellektuelles Reichsbürgertum, das man nicht wirklich gutheißen kann. Was die Steuer angeht und ob die Maßnahme greift, ist das eine Debatte, die ich hier aber nicht führen kann. Warum ich das erwähne, ist, weil es um die Intention geht – Ärzte und Politiker müssen die Übergewichtsepidemie irgendwie bekämpfen, und andere betrachten sie nur als eine Art von Normierungsdebatte. Das ist das Problem, das ich benennen wollte. Es geht hier um einen Zeitgeist, der manifeste Probleme lediglich auf der Ebene eines sozialen Konstrukts betrachtet, oder als „Framing“, neumodisch gesagt. Damit wird so viel Schindluder getrieben. Aber irgendwann führt das zur Blockade von Erkenntnis und Handeln. LG Johanna

      • Kommentar des Beitrags-Autors

        Und aus gg. Anlass nochmal für alle: ANONYME Kommentare werden NICHT veröffentlicht und NICHT beantwortet.
        Unsachliche und beleidigende auch nicht. AGB. Steht im Impressum und auf meinen Profilseiten.

      • Irene Gronegger

        Ja, das kenne ich schon aus anderen Bereichen. Junge linke Feministinnen tun ganze Themenfelder und Wissenschaften damit ab, dass die ja nur „von weißen Männern sozial konstruiert“ sind. (Aber die eigenen Sichtweisen gelten ihnen natürlich nicht als in einer Szene konstruiert, sondern als Wissenschaft und reine Lehre…)

        Es erinnert ein wenig an die Fans der Alternativmedizin, die Studien generell nicht gelten lassen, weil ja die Pharmaindustrie so viel Einfluss hat. Dabei wäre das doch ein guter Grund, sich genauer reinzufuchsen. Aber totale Verweigerung ist halt bequemer.

Schreibe eine Antwort