Gefundenes Fressen

DIE WELT: Bio ist gar nicht besser – Totschlagargumente eines Klima-Skeptikers

Die gute alte Biokiste - alles Schwindel? Keine Sorge. Bild: Shutterstock / Elena Dijour

Der dänische Klimaskeptiker Lomborg zerlegt den biologischen Landbau in der WELT. Im Schweinsgalopp düst er durch die Klimadebatte, aber verschweigt entscheidende Vorteile der Bioprodukte: etwa für die Böden und für die Artenvielfalt. Und für den Geschmack. Wer bio kauft, kann mit einem guten Produkt rechnen.

 

Die WELT hat auf den Tisch gehauen, was den ganzen Bio-Schwindel angeht.

Bio ist nicht besser, steht in einem Artikel vom 8.8.2016, der ausdrücklich als „Meinung“ gekennzeichnet ist. Also als Einlassung, die fundiert sein soll, aber die eigene Haltung des Autors ausdrückt. Dabei darf der Journalist als Person sichtbar werden.

In diesem Fall schreibt aber kein Journalist, sondern ein Akteur, der in der Klima-Debatte nicht unbekannt ist: Björn Lomborg, dänischer Politikberater und Statistiker.

Lomborg lässt sich grob dem Spektrum der Klimawandel-Skeptiker zuordnen, kritisiert grüne und linke Umweltpolitik und ist nicht ganz unumstritten. Vorwürfen, er arbeite nicht seriös, entging er nur knapp, weil sich das dänische Forschungsministerium schützend vor ihn stellte.

Im Großen und Ganzen meint der Däne, dass die Erde nicht so bald untergeht, der Klimawandel nicht nur Schlechtes mit sich bringt und viel zu viel Geld in sinnlose Umweltschutzprojekte gesteckt wird.

Die ökologische Landwirtschaft ist ihm dabei ein Dorn im Auge: Biohöfe können laut Lomborg die Probleme der Menschheit mit Hunger, Wasser und Krankheiten nicht lösen.

 

Im Schweinsgalopp durch die Öko-Debatte

In einem Rundumschlag watscht er nun in der WELT den Biozirkus ab: Bioware sei weder besser noch gesünder, nahrhafter oder sicherer als konventionelle, das hätten schon zwei große Studien ergeben.

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Auch die Tiere seien nicht gesünder als die aus der Industriehaltung, und noch weniger sparen die Ökobauern Ressourcen ein. Im Gegenteil – sie verbrauchen laut Lomborg mehr Land und Wasser, während sie gleichzeitig mehr Emissionen erzeugen. Fazit: Wer Bio-Lebensmittel kaufe, fühle sich zwar besser, tue aber weder sich selbst noch der Umwelt etwas Gutes.

Natürlich widerspricht Quarkundso.de auf keinen Fall weltberühmten Experten. Das wäre wirklich vermessen.

Auch lassen sich die gesamte Klimafrage und das Für und Wider von ökologischer Landwirtschaft nicht in einem einzigen Blogbeitrag abhandeln.

Allerdings bestehen von Seiten der Chefredaktion keinerlei Hemmungen, sich der Frage anzunehmen, was es mit Ökoprodukten sonst so auf sich hat. Und mit welchen Argumenten in der WELT Biokunden und Produzenten in die Pfanne gehauen werden.

Denn schließlich geht es hier um Essen.

Und da hängt sich Quarkundso.de mindestens ebenso gern und weit aus dem Fenster wie die WELT. Warum auch nicht. Wenn die einen Klima-Optimisten im Schweinsgalopp durch die Bewertung von Ökolebensmitteln und das Welthungerproblem rasen lassen, überholt Quarkundso.de gerne mal rechts.

 

Die Stanford-Studie von 2012: „junk science“

Also zur Sache: Zur Qualität der biologischen Lebensmittel selbst schreibt Lomborg eigentlich nicht viel. Er serviert das Thema ab, indem er kurz auf zwei Studien verweist:

Das Zentrum für Gesundheitspolitik der Stanford University jedenfalls hat 2012 in der bislang größten Studie ökologische mit konventionellen Lebensmitteln verglichen und keine belastbaren Beweise gefunden, dass „bio“ besser sei.

Eine neue Studie bestätigt diese Ergebnisse: „Die Erkenntnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zeigen nicht, dass Bio-Produkte nahrhafter und sicherer sind als konventionelle Nahrungsmittel.“

Studien zitieren ist ja immer gut, vor allem, wenn es größte oder neue sind.

Aber beim Stichwort Stanford 2012 klingelt es warnend im Hinterkopf: Ist das nicht diese Studie, um die es damals großen Medienlärm gab?  Die von Kritikern, darunter der Forschungsleiterin der Columbia Foundation und dem Food-Chef Marc Bittman in der New York Times, als „junk science“, Schrott-Wissenschaft, bezeichnet wurde?

Ja, das ist die.

Wobei „junk science“ in den USA nicht nur „schlecht gemacht“ bedeutet. Es ist auch der Ausdruck für die Manipulation von Daten, und zwar im Auftrag von interessierten Kreisen. Vulgo: „junk science“ ist gekaufte Wissenschaft, die Meinung lenken soll und bei der es nicht mit rechten Dingen zugeht.

Es gab dazu Vorwürfe, dass einige Autoren dunkle Verbindungen zur Agro-Gen-Industrie haben und mindestens ein Autor der Studie ein mit der Tabakindustrie verbandelter Verdächtiger ist. Mission: kritische Aussagen in Studien verhindern und statistische Ergebnisse erzeugen, die für seine Auftraggeber günstig sind.

Das mit der Tabak-Industrie ist zwar wiederum so ein US-amerikanischer Topos, der mit Vorsicht zu genießen ist.

Doch diese Stanford-Studie sagt insgesamt nur Plattes, das zu einer echten Bewertung von Bioprodukten nicht taugt. Es ist eine Meta-Analyse von 200 höchst heterogenen Untersuchungen, also eine Auswertung von Arbeiten, die nicht wirklich miteinander vergleichbar sind. Der Analyse wurden außerdem statistische und andere methodische Fehler vorgeworfen.

 

Die Frage produziert das Ergebnis

Denn von Anfang an war die Fragestellung, nach der konventionelle und ökologisch erzeugte Lebensmittel bewertet wurden, für das Ergebnis entscheidend: „Enthalten Biolebensmittel mehr Vitamine und Nährstoffe, und sind sie sicherer?“

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Damit reduziert sich ein Vergleich auf genau bestimmte, ausgewählte Inhaltsstoffe. Ob ein einzelnes Bio-Lebensmittel „gesünder“ ist als sein konventionell erzeugtes Pendant, misst sich dann zum Beispiel am Kaliumgehalt der Kartoffel. Ergebnis der Stanforder Autoren: Nein, es gibt keine großen Unterschiede.

Klar, wie auch – Kartoffel bleibt Kartoffel, sie wird nicht zu Superfood, wenn der Bauer bei Vollmond Kuhhörner im Acker vergräbt.

Dann: Man kann gezielt auswählen, was man in den Vergleich einbezieht und was nicht – und hier manipulieren, was den Autoren auch vorgeworfen wurde.

Bei Fragen der „Sicherheit“ von Lebensmitteln geht es um Dinge wie Hygiene, Belastung mit Schadstoffen und ähnliches. Da derlei staatlich durch Gesetze geregelt wird und gar nichts in den Handel kommt, das die Auflagen nicht erfüllt, können auch hier Tests keine riesigen Unterschiede finden.

Die Stanforder Forscher mussten aber einräumen, dass Ökoprodukte eindeutig weniger mit Schadstoffen, Pestiziden und Antibiotikaresten belastet sind als konventionelle Produkte. Faktor: 30 Prozent. Das ist nicht wenig, das ist sogar viel.

Bei der Bewertung zogen sie jedoch die Trumpfkarte mit den staatlichen Regeln aus dem Ärmel: Ja, Ökoessen ist weniger belastet – aber nicht völlig frei von Pestiziden und Rückständen, was sich die Käufer erhofften. Und relevant sei der Unterschied eh nicht, da die konventionellen Produkte sich im Rahmen der Vorschriften bewegten.

 

Biolebensmittel: weniger Schadstoffe, mehr Nutzstoffe

Diese Trickserei und der Ansatz der Studie stieß Kritikern auf, denn die Fragestellung – Vitamin- und Nährstoffgehalt, Sicherheit – wird den echten Vorteilen von Biolebensmitteln aus ihrer Sicht nicht gerecht.

Im Klartext: Es könnte ja günstige Effekte geben, die nicht von den ausgewählten Vitaminen und Nährstoffen abhängen, die die Stanforder Autoren betrachtet haben.

Genau darauf hatten zuvor andere Studien hingewiesen, darunter eine Arbeit von Kristen Brandt aus England 2011, an der Universität Newcastle. Es ist ebenfalls eine Meta-Analyse, aber dort kamen die Forscher zu einem anderen Ergebnis: Ökologisch erzeugte Lebensmittel enthalten auffallend mehr sekundäre Pflanzenstoffe wie Abwehrgifte und Aromastoffe, die berühmten Antioxidanzien, Flavonoide und andere bioaktive Substanzen.

Von diesen nimmt man an, dass sie tatsächlich gewisse gesundheitliche Effekte haben, wenn das auch mangels Studien noch nicht im großen Stil bewiesen ist. Nach diesen Substanzen hatten die Stanforder Autoren aber gar nicht erst gefragt. Darüber hinaus ergab die Studie aus Newcastle, dass Öko-Gemüse und -Obst im Schnitt 12 Prozent mehr an wichtigen Vitaminen enthält, darunter mehr Vitamin C.

Die Stanforder Studie sollte wohl als Antwort auf Pro-Ökö-Studien einfach Bio-Romantiker auf den Teppich holen, was überhöhte Gesundheitshoffnungen angeht. Laut Pressetext der Universität dient das der „informierten Entscheidung“ des Verbrauchers.

Nun gut. Das ist ehrenhaft, aber rechtfertigt nicht das Runterschreiben der Unterschiede auf praktisch Null. Und der Vorwurf, dass die Aussagen gezielt auf die Lenkung der Debatte kontra Ökolandbau zugeschnitten waren, blieb weiterhin im Raum. Die Beliebtheit der Bioware schmälern konnte die Stanforder Gruppe auch nicht.

 

Als ob nichts gewesen wäre

Das versucht jetzt Björn Lomborg in der WELT, und zwar so plump wie möglich. Nicht nur, dass er die Stanforder „junk science“ von 2012 zitiert, als wäre nichts gewesen. Er führt noch eine brandneue italienische Studie von 2016 dazu ins Feld. In dieser Arbeit geht es nur um tierische Produkte, also um Eier, Milch und Fleisch.

Daraus zitiert Lomborg selektiv und durchaus tendenziös.

Wörtlich übernimmt er einen Satz aus der Einleitung, der auf die Stanforder Studie Bezug nimmt: „Die Erkenntnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zeigen nicht, dass Bio-Produkte nahrhafter und sicherer sind als konventionelle Nahrungsmittel.“

Aber das ist nur die Einleitung, die Betrachtung des früheren Standes durch die Autoren – es ist nicht das Ergebnis der Studie. Denn im Schlussteil steht etwas ganz anderes, und das zitiert Lomborg nicht:

The different composition of fatty acids found repeatedly in organic products is certainly an advantage for the consumer’s health.

In fact, the polyunsaturated fatty acids found in greater concentrations in organic foods are associated with the prevention of various diseases. Therefore, the consumer would also benefit from the fatty acid composition of organic food.

However, as reported by almost all the researchers, other aspects must be considered, such as race, age, the season, before starting with absolute certainty that these differences are the consequence of the farming system alone. Further investigations are necessary to understand more clearly the role of “organic effect” on animal foods.

Es gibt also Unterschiede: Bio-Milch, Fleisch und Eier enthalten mehr wichtige, gesundheitlich eindeutig relevante Fettsäuren.

Ob diese wirklich auf die ökologische Tierhaltung oder eher auf die Rassen der Tiere, ihr Alter oder anderes zurückgeht, wagen die Forscher noch nicht sicher zu sagen, aber immerhin: Im Großen und Ganzen handelt sich der Biokäufer bei tierischen Produkten mindestens das günstigere Fettsäureprofil ein.

Es steht noch eine ganze Menge anderer Ergebnisse in dem Papier, darunter zur Textur von Fleisch oder zum höheren Proteingehalt von Eidotter bei den Bio-Varianten.

Erstaunlich, dass Lomborg diese Befunde und die Schlussfolgerung der Forscher komplett unter den Tisch fallen lässt.

 

Bio macht einen Unterschied

Was auch immer der dänische Öko-Kritiker damit im Sinn hatte: Um gute Lebensmittel und Produkte geht es ihm nicht.

Und den entscheidenden Vorteil von Bioprodukten ignoriert er: Obst, Gemüse, Milchprodukte, Eier und Fleisch aus Bioproduktion schmecken besser. Sie haben weit überwiegend die höhere Geschmacksqualität.

Das ist unbestritten unter Leuten, die sich auskennen. Der größte aller deutschen Gastro-Autoren, Wolfram Siebeck, polemisierte gegen den konventionellen „Massenschund“ und kaufte Bio-Eier und Bio-Knoblauch, Spitzenköche schwören auf Bio-Metzger und Bio-Molkereien. Und was Obst und Gemüse angeht, darunter Gurken, Tomaten, Karotten, Zwiebeln und Knoblauch, so macht bio im Geschmack einen deutlichen Unterschied.

Grund: Im Bio-Anbau werden andere Sorten verwendet.

Sie müssen widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Wettereinflüsse sein, genügsamer und robuster. Das bedeutet in der Regel, dass sie auch mehr Abwehrgifte und die oben schon erwähnten sekundären Pflanzenstoffe enthalten.

Und das macht einen Unterschied im Geschmack.

Wer schonmal in ein um seine Senföle kastriertes Supermarkt-Radieschen gebissen hat, und im direkten Vergleich dazu in eine scharfe Bio-Wurz, weiß, wovon die Rede ist.

 

Manchen schmeckt „bio“ gar nicht besser

Das mit den unterschiedlichen Sorten macht es übrigens sehr schwer, Unterschiede zwischen beiden Anbaumethoden wirklich wissenschaftlich zu untersuchen. Das gilt auch für Tierrassen.

Wobei die Unterschiede, die man feststellen kann, wohl wirklich weniger in den Anbaumethoden liegen: Dass konventionelle Obst- und Gemüsesorten oft nach nichts, schlapp, fade, nicht aromatisch schmecken, liegt nämlich daran, dass sie gezielt so gezüchtet werden.

Der Massengeschmack verlangt Sorten, die mild, süßlich und reizlos sind.

Die gehen im Supermarkt bei der Durchschnittskundschaft einfach gut. Das gilt besonders für Zwiebeln, Knoblauch, Meerrettich, Salat, Spinat und alles, was von Natur aus über Würze, Schärfe und Bitterkeit verfügt.

Wer das Fade mag, dem schmeckt konventionelles Gemüse und Obst tatsächlich besser – auch das ist ein Mosaikstein im Puzzle der Bewertung von Bio-Lebensmitteln. Bei allgemeinen Verbraucherbefragungen kommt dann nämlich heraus, dass viele die milde Massenware den Biosorten vorziehen – für die ist bio also wirklich nicht besser.

Bei einem Bio-Geschmackstest, den ich mal für den WDR gemacht habe, konnten wir das auch beobachten, in einer interessanten Variante: Die Probanden bewerteten das, was ihnen besser schmeckte, als „bio“.

Im Fall von Karotten waren das die süßeren Rüben – aber genau die stammten aus konventionellem Handel. Dort werden Karottensorten auf hohen Zuckergehalt getrimmt, weil das beim Kunden besser ankommt. Da viele Käufer auf dem Marktplatz, auf dem wir den Test machten, die positive Vorerwartung hatten, dass das Bioprodukte „besser schmecken“, tippten sie bei der süßen Karotte auf „bio“.

Aus solchen Phänomenen lassen sich in einer Kampfdebatte Argumente stricken: Bio ist nicht besser, weil es viele es gar nicht erkennen, die wirkliche Bioware ihnen gar nicht besser schmeckt, und weil viele weitere erst gar keinen Unterschied wahrnehmen.

Natürlich ergaben auch Untersuchungen wie die der Stiftung Warentest von 2015, dass Bioware nicht automatisch „besser“ im Sinne von bestimmten Erwartungen der Kunden sind.

 

Totschlagargumente verfehlen das Wesentliche

Trotzdem – wer Obst, Fleisch, Gemüse und Milchprodukte aus der Öko-Landwirtschaft kauft, weiß, dass sie anders schmecken und will das auch.  Das haben viele sensorische Tests und Warenuntersuchungen ergeben.

Was die Gesundheit angeht, machen nun genau die pflanzlichen Abwehrgifte, die im Bioanbau die Pflanze vor Schädlingen schützen sollen, den kernigen, kräftigen, typischen Geschmack aus – und zugleich die vermutete günstige Wirkung auf den Organismus. Der Effekt mag zwar (noch) unbewiesen und insgesamt klein sein, aber er wird wissenschaftlich breit diskutiert.

Die öden Totschlagargumente mit gleichem Vitamingehalt und gleicher Sicherheit gehen daher am zentralen Punkt vorbei.

Denn was ist am wichtigsten beim Essen? Dass es schmeckt.

Wer würde schon behaupten, Gänseleberpastete sei nicht besser als Leberkäse aus Separatorenfleisch, weil beide ähnliche Vitamingehalte haben und hygienisch einwandfrei sind?

Für Lomborg aber spielt der Geschmack von Lebensmitteln keine Rolle. Geschmack als Kriterium taucht gar nicht erst auf, wenn er im Artikel provozierend fragt, ob Biolebensmittel „besser“ sind. Der Horizont solcher Leute ist definiert von einer Nüchternheitsethik und der Welt der Zahlen.

Mit gutem Essen verträgt sich das nicht.

 

Lasst euch nicht irre machen

Wer Bioware kauft, kann mit einem guten Produkt rechnen. Das heißt nicht, dass  Bioware immer einwandfrei ist, wie die Stiftung Warentest nicht müde wird, nachzuweisen. Auch gibt es konventionelle Erzeuger, die gute Produkte liefern, ja. Und unsere Lebensmittel sind sicher, auch die konventionellen.

Aber alles in allem lohnt sich der Biokauf für den guten Geschmack, eindeutig. Er lohnt sich auch für die Tierhaltung, und wenn man weniger schadstoffbelastete Lebensmittel will.

Ob die Biolandwirtschaft die Welt retten kann, wird hier nicht entschieden. Könnte sein, dass das schiefgehen würde. Es könnte aber auch sein, dass die großindustrielle Landwirtschaft die Welt vor die Wand fährt. Und zwar in absehbarer Zeit.

Dann will man vorher wenigstens gut gegessen haben.

 ©Johanna Bayer

DIE WELT vom 8.8.2016 mit „Wer „bio“ kauft, fühlt sich besser. Gutes tut er nicht“

„junk science“ – der Kommentar zur Stanford—Studie von 2012 in der New York Times

Die italienische Studie von 2016 zu tierischen Bioprodukten

WDR: Quarks&Co zu Bioprodukten mit Geschmackstest bio und konventionell – Skript zur Sendung als pdf

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  1. Stefan Stulle

    Gibt es eigentlich Klarheit, was den Geschmack bringt? Terroir , alte Sorten, Bewässerung?

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Johanna Bayer

      Nein, das ist alles ein Paket. Sorte+Terroir+Klima, es ist fast unmöglich, alles aufzudröseln, hatte ich auch erwähnt. Aber wichtig ist ja, was unterm Strich rauskommt, Haarspalterei und Spitzfindigkeiten beseitigen das Phänomen „bio“ nicht. Und natürlich kann ein konventioneller Erzeuger, der alte Sorten nimmt und guten Boden hat, auch ein gutes Produkt liefern. Theoretisch.

  2. Stefan Stulle

    Entscheidend ist, wie fleißig der Bauer ist, nicht ob konventionell oder biologisch angebaut wird. Geschmacklich müssen natürlich qualitativ hochwertige Produkte miteinander verglichen werden, nicht Pflanzen mit Terroiraufzucht mit billigster Massenware.
    Biobauern düngen genauso, nur mit anderen Mitteln.

  3. Glutamatfan

    Diese Diskussion kann man nicht ausreichend vom kulinarischen Standpunkt führen. Natürlich ist es keine Kunst mit besser schmeckenden Sorten besser schmeckende Erdbeersorten als Bio zu vermarkten und sich dabei dann auf bessere Bioware zu berufen. Diese sind aber meist weder auf Lagerfähigkeit noch auf ihre Ausbeute optimale Sorten Tatsache ist: Es geht hier um die Sorte, die für konventionelle großflächige Anbauten mit industrieller Erntegröße meist nicht taugen. Massenmarkt braucht stabile und lager und transportfähige Ware, die in der Preiskonkurrenz funktioniert. Auch arme Bürger haben ein Recht auf Fleisch, Obst und Gemüse.
    Es wird immer so getan als sei es der Verdienst von Bio wenn ich mit mehr Einsatz von Geld, Land, Zeit und Arbeitskraft sowie mehr Abfallproduktion und kleinerer Ausbeute / Ernte – also teurer – etwas besseres produziere. Das ist es aber nicht. Es ist einfach nur die Sortenauswahl und der zusätzliche Aufwand. Sehr wohl kann man diese Sorten / Rassen konventionell anbauen. Dies geht aber nicht preiswert genug für den Massenmarkt. Wenn also gleiche Sorten konventionell mit Bio verglichen werden, wenn gleiche Rassen, gleicher Produktionsaufwand verglichen wird, dann wird man keinen Unterschied feststellen. Der Trick des „Bio schmeckt aber besser!!“ findet vor allem im Vergleich von Gourmet / Oberklasse mit Billigprodukten statt. Ansonsten wird nahezu jedem Produkt besserer Geschmack attestiert wenn man Bio drauf schreibt. Der Mensch ißt mit den…

    • Glutamatfan

      Der Mensch ißt mit den Augen.

      Hinzu kommt die fachliche Auseinandersetzung. Dazu hat U. Pollmer immer mal wieder im E.U.L.E etwas verfasst. Eule Dez 2007 Etwas älter aber sicher im prinzipiellen Kontext noch aktuell.

      Die schöne BIowarenwelt ist ein Image auf Kosten der erstklassigen Produktqualität der konventionellen Betriebe, die die Massen satt machen. Bio wird immer noch kaum gegessen und die Welt reicht nicht für Biolandwirtschaft. Sie wird immer eine Ausnahmeerscheinung für gut betuchte „Etikettenesser“ bleiben, denen das Identitätsgebaren und moralische Selbstermächtigung über den Teller ach so wichtig sind. Die sich im Smalltalk über alte Sorten ereifern und sich nicht dafür interessieren wie demnächst in 50 Jahren 10-12 Milliarden Menschen ernährt werden sollen sondern ihre Bioteller als Lösungsweg propagieren, obwohl damit nicht mal die Hälfte ernährt werden kann. Bio ist ineffizient, verschwendet Land und Energie für kleinere Ernten. Der höhere Preis kommt nicht deshalb zustande weil Bio Umweltkosten einpreist, sondern weil es grundsätzlich ineffizient ist und der höhere Preis durchsetzbar.
      Bio ist eine Mogelpackung. Da hat der verlinkte Autor Recht, auch wenn er nicht fehlerfrei argumentiert / recherchiert haben mag, stimme ich allgemein seiner Kritik an Bio zu.

  4. Wieder ein kulinarisch brillanter Beitrag. Das kennen wir leider zur Genüge: Radieschen, die so richtig mild sind, Meerrettich ohne jeden Pep und Tomaten voll von holländischem Wasser. Da ist Bio (und sei es aus dem eigenen Garten) weitaus besser. Und da hat sich jener Autor aus der „Welt“ wohl wirklich ziemlich in Widersprüchen verrannt und ordentlich Futter gegeben.
    Schön erklärt, dass der Geschmack entscheiden sollte. Und da ist Bio eindeutig im Vorteil.
    Mit Klima hat das aber wenig zu tun. Aus Sicht eines Klima-Skeptikers ist es doch ohnehin egal, ob die Landwirtschaft einen Einfluss haben könnte. Und aus Sicht eines Klimawandel-Verfechters könnte man durchaus meinen, dass Bio nachteiliger fürs Klima ist. Aber die Zusammenhänge sind eben wesentlich komplexer. Und da bin ich gerne „Skeptiker“ im eigentlichen Sinne des Begriffes, eben ein Zweifler, um weitere Erkenntnisse finden zu können.

  5. Einen wichtigen Aspekt lässt die Replik außen vor: der Vorteil von Bio liegt nicht im Geschmack(der hängt nicht von den Abwehrstoffen ab, sondern Aromastoffen plus vier Geschmacksarten, von denen süß und bitter bei Obst und Gemüse ausschlaggebend sind), sondern in der insgesamt positiven Tendenz, dass durch weniger Einsatz von Mineraldünger, Pestiziden und Antibiotika auch geringere Mengen persistenter Chemikalien in der Umwelt angereichert werden, Böden erhalten bleiben und Antibiotikaresistenzen weniger wahrscheinlich sind. Tierwohl ist natürlich auch reguliert.
    Die Studie aus Stanford berücksichtigt tatsächlich nur die Inhaltsstoffe und Rückstände im Vergleich, ist aber sauber gemacht und die umfangreichste auf dem Gebiet.
    Für die Ökoeffizienz von Bio existieren sehr viele Studien, Ergebnis: es kommt auch da drauf an, ob der Betrieb gut geführt ist. Wenn ja, ist er immer ökoeffizienter. Wenn nein, kann ein konventioneller Betrieb ebenso gut sein, ökonomisch effizienter ist er immer.
    Bioerzeugung passt sich an die natürliche Ressourcengeschwindigkeit an und ist so langfristig nachhaltig, da konventionelle Erzeugung die Ressourcengeschwindigkeit überstrapaziert, so dass es irgendwann keine Ressource mehr gibt. Nur mit Bioanbau ließen sich allerdings jetzt schon nicht ausreichend Lebensmittel produzieren, es sei denn die Welt ernährt sich vegetarisch.
    Fazit: Anbau, wie er heute als ökologisch bezeichnet wird, ist gut, kann aber nur einen Teil der Menschheit ernähren.

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Johanna Bayer

      Lieber Malte,
      danke für den sachkundigen Kommentar von berufener Seite (Experte! 🙂 ).
      Tja – ich bin zwar frech, aber (hoffentlich) nicht doof. Deshalb habe ich in meinem Beitrag gleich am Anfang klar gesagt, dass er weder die gesamte Debatte in einem einzigen Artikel abbilden kann noch dass – am Ende nochmal sehr deutlich – die Frage entschieden wird, ob Biolandwirtschaft die Welt rettet oder nicht. Scheinbar werden meine kleinen schlauen Finten aber überlesen, von mehreren Leuten. Nur meinte ich das schon ernst: Ich wollte mich nicht dahin versteigen, alle Aspekte des Für und Wider zur Öko-Debatte aufzuarbeiten. Das hat ja schon Herr Lomborg in der WELT gemacht, höhö. Du verstehst – deshalb nannte ich das den Schweinsgalopp durch die Debatte.

      Ansonsten: Aber ja, für mich liegt der Vorteil von Bioware sehr stark im Geschmack, das wiederum meine ich bitterernst. Da befinde ich mich, wie ich ebenfalls ausgeführt habe, in guter Gesellschaft von Leuten, die sich mit Essen und Geschmack beschäftigen. Das ist ein wesentlicher Teil und das Anliegen meines Beitrags. Dass Du das rundheraus absprichst, finde ich erstaunlich.

      Dann: Die Abwehrstoffe bestimmen insbesondere Schärfe und Bittergeschmack, die konventionellen Sorten systematisch abgezüchtet wurden. Die Aromastoffe wiederum hängen von den verwendeten Sorten – ob aromatische oder weniger aromatische, je nach Geschmack der Zielgruppe erwünscht oder nicht – ab. Alles das stand eigentlich im mittleren Teil des Beitrags.

      Die anderen Aspekte und Befunde, die Du erwähnst, sind sehr wichtig für die allgemeine Bio-Debatte und ich finde es auch fruchtbar, dass sie – in verschiedenen Kommentaren von Fachleuten hier – ergänzt werden.

      Es ist aber, wenn ich das mal so sagen darf, ein weites Feld.

      Liebe Grüße
      Johanna

      • Malte Rubach

        Vielleicht noch zur Ergänzung: Ich habe Geschmack (im Englischen wird da aus meiner Sicht auch besser zwischen Flavor und Taste unterschieden) eher aus lebensmittelchemischer Sicht betrachtet, was wahrscheinlich an meiner Prägung an der DFA liegt. Ein Absolvent von uns hat ein Weinsurrogat mit Aroma- und Geschmacksstoffen rekombiniert, die von den tollsten Sommeliers auf den vordersten Platz gewählt wurden (http://www.presse-archiv.uni-wuppertal.de/2008/0520_guth.html). Witziger Weise hatten sie es damals bei Quarks und Co vorgestellt. Geschmack kann sich eben täuschen und ist sehr individuell.

        • Kommentar des Beitrags-Autors

          Johanna Bayer

          Lieber Malte,

          bei dem WDR-Test damals hat die Sommelière Christina Fischer den künstlichen Wein identifiziert, sich also nicht täuschen lassen, das war von einem Profi auch zu erwarten. Ein zweiter Test im Labor ergab ebenfalls, dass der künstliche Wein erkannt wurde. Ob die tollsten Sommeliers den Kunstwein wirklich so hoch bewerten, das wüsste ich gerne genauer, gibt es dazu ein Quelle? Geschmack ist ansonsten auf jeden Fall individuell – aber das heißt auch irgendwie nichts. Denn Geschmack ist nicht nur die subjektive Präferenz. Speziell bei Bioprodukten, aber auch beim Wein gibt es objektive, messbare Unterschiede, die die Qualität ausmachen. Ein Wein von hoher Qualität hat eindeutig ein ganz anderes Profil als ein billiger Wein. Das hat Dein Kollege Guth ja auch rausgefunden, soweit ich weiß.
          Danke für die Hinweise,
          LG
          Johanna

          • Malte Rubach

            Der Test mit Frau Fischer war wohl nicht der von Quarks und Co. Den Beitrag gibt es nicht mehr online, aber eine Zusammenfassung: http://www.wdr.de/tv/applications/fernsehen/wissen/quarks/pdf/Q_Experten.pdf
            Ab Seite 2 gehts los. Im Labor kannst du die Unterschiede selbstverständlich nachweisen, mit einer Gaschromatographie und gekoppelter Massenspektrometrie ist es kein Problem quantitativ 16 Schlüsselaromastoffe aus dem synthetischen Wein gegenüber 600 aus dem natürlichen Produkt zu messen. Das interessante ist aber, dass die Sommeliers sich eben mit dem Rekombinat täuschen lassen…
            Was die Aromastoffprofile von öko versus konventionell angeht, gibt es auch da keine allgemeine Regel… eher noch, dass die sensorische Qualität von konventionell konstanter ist.
            LG
            Malte

          • Kommentar des Beitrags-Autors

            Johanna Bayer

            Erstaunlich – also, ich hätte mich natürlich nicht täuschen lassen, sag ich mal keck 😉
            Konstantere Qualität – nun ja. Konstanter auf niedrigerem Niveau, lästere ich hier, Du verzeihst.
            Die Standardisierung, Vereinheitlichung und Nivellierung, übrigens auch auf wenige Sorten, ist allgemein eher ein Problem – Stichwort McDonaldisierung der Esskultur.

            Aber wir können das ganze Thema nicht hier abhandeln. Es ist wirklich total vielschichtig. Inzwischen hat die WELT die Debatte ja auch weitergedreht und einen Öko-Befürworter antworten lassen: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article157716725/Bio-ist-sozialer-humaner-und-einfach-besser.html Da kommt vor allem die Frage von Ressourcen und sekundären Kosten aufs Tapet, und mit ein paar wichtigen Argumenten. Aber wieder nix mit Geschmack, da bin ich wohl allein auf weiter Flur. 🙂
            LG
            Johanna

  6. Reinhold Bonfig

    Liebe Johanna, Deinem letzten Satz in Deinem sachlich und vor allem lesenswert gehaltenen Beitrag kann ich nur voll zustimmen. Zum vorletzten Absatz: Industriell geprägte Landwirtschaft in die dritte Welt zu tragen, ist nichts anderes als dort gewachsene Strukturen zu zerschlagen. Nur entwickelte kleinteilige Landwirtschaft, die aufgrund von Ressourcenknappheit zwangsläufig „Bio“ ist, hilft der dritten Welt aus der Misere des Hungers und verhindert soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit von Kapitalgebern des Westens und Chinas. Der Zug scheint mir jedoch abgefahren zu sein: Ausuferndes Land-Grabbing in Entwicklungs- und Schwellenländern verhindert Teilhabe, macht die Bevölkerung ärmer durch Abhängigkeit, in der Folge zu Bettlern oder zu Flüchtenden in unser „gelobtes Land“. Nun bin ich abgeschweift, das war ja nicht Dein Thema. Die Gedanken sind mir jedoch beim Lesen Deines Beitrags und des von Dir in die Mangel genommenen Beitrags des dänischen Klimaskeptikers gekommen.

  7. Stefan Stulle

    Da geht aber einiges durcheinander.
    Sowohl dass in Blindtests Bioware beim Gemüse eben nicht geschmacklich von konventioneller Ware unterschieden werden konnte, es wird nicht auf die großen und kleinen Bioskandale eingegangen, die Betrachtung von mikrobieller Belastung fehlt usw.
    Ein ellenlanger Beitrag, aber einseitig durch die Biobrille.
    Es gibt nun so viele andere Quellen, die auch die Biobranche kritisch hinterfragen.
    Und: Letztlich gibt es weder gesunde, noch ungesunde Lebensmittel. Diese Einteilung ist unwissenschaftlich.

    • Reinhold Bonfig

      Herr Stulle, haben Sie einen anderen Beitrag von Johanna Bayer gelesen als ich? Sie ist sachlich auf die Argumente des dänischen Klimakritikers eingegangen, keineswegs durch die Biobrille. Sie macht aufmerksam auf Ungereimtheiten und Einseitigkeiten in der Argumentation des Betreffenden.

  8. Mal wieder toll recherchiert. Danke dafür!

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