In der ZEIT erscheint ein Empörungskommentar zum Gaza-Krieg, Titel: „So sieht Hunger aus“. Das Bild zeigt ein abgezehrtes Kind auf dem Arm der Mutter, der Text behauptet, Hunger sei das erste und wichtigste Bedürfnis. Nichts davon stimmt.
Jetzt ist es passiert. DIE ZEIT veröffentlicht einen Artikel mit einem Bild, das den Text und die Behauptungen darin nicht belegt – und die Behauptungen selbst sind auch falsch. Der Beitrag ist ungeprüft online gegangen, möglicherweise sogar mit der bewussten Entscheidung, ein Foto zu zeigen, das mit der Sache nichts zu tun hat.
Da es um Hunger geht, um Bild und Text, erschien das Ding auf dem Radar von Quarkundso.de. Wir sind ja zuständig, wenn es um Essen oder Nicht-Essen geht.
Der Artikel mit der „Behauptung „So sieht Hunger aus“ vom 26.7.2025 steht auch im Permalink unter dem Titel „Hungersnot in Gaza“. Das Bild eines abgemagerten kleinen Jungen soll diese Not beweisen.
https://www.zeit.de/kultur/2025-07/hungersnot-gaza-bilder-kinder-berichterstattung-israel
Doch schon länger ist klar, dass im Gaza-Konflikt ein Krieg der Bilder herrscht. Manipulierte, teils künstliche generierte Bilder kursieren, auch offene Fälschungen, das weiß sogar die ZEIT-Redaktion.
Internationale Medien zeigen Bilder von Kindern, die an seltenen Erkrankungen wie Mukoviszidose oder Hirnlähmungen mit massivem Muskelschwund leiden. Sie sollen als Beleg für eine angebliche Hungersnot im Kriegsgebiet dienen.
Immer wieder stellen neutrale, unabhängige, nicht-parteiische Stimmen sowie – natürlich – Israel klar, dass die Bilder gefälscht sind.
Unabhängige Berichterstatter, darunter der Blogger David Collier, aber auch die FAZ in einem Artikel von Matthias Rüb, haben das in den letzten Tagen schlüssig dargestellt, untermauert mit Fakten, Krankenakten, Mediziner-Einschätzungen.
Die schwer kranken Kinder auf den Fotos aber sahen schon vor dem Krieg so aus – abgemagert, ausgezehrt, gelähmt. Sie werden auch nach dem Krieg so aussehen und vielleicht nicht lange leben.
Die Realität interessiert nicht
Um Wahrheit aber geht es den Dealern solcher Bilder nicht. Sie betreiben Propaganda, indem sie die Bilder ohne Kontext in internationale Agenturen einspeisen.
Propaganda wiederum verzerrt bewusst die Fakten und zielt immer aufs Gefühl. Und ausgerechnet DIE ZEIT hat ein solches Foto verwendet.
Grafiker unter der Leitung der ZEIT-Autorin Malin Schulz (!) haben es noch bearbeitet, dramatisch schwarz-weiß gesetzt, mit Effekten versehen, den Hintergrund kaschiert, den mageren Körper des Jungen hervorgehoben mit Effekten, die Mutter, die ihn hält, in die Pose der schmerzensreichen Madonna geschoben.
Dieses Bild nimmt die ZEIT als Beleg für Hunger im Gaza-Streifen, aber auch insgesamt. Zu sehen ist es hier.
Text:
Hungersnot in Gaza:
So sieht Hunger aus
Die jüngsten Bilder aus Gaza konfrontieren uns mit einem mächtigen Gefühl: Scham. Wir können ihr nicht ausweichen, denn wir wissen: Noch könnte man diese Kinder retten.
Nach zwei Tagen voller externer Hinweise und Recherchen hat die Online-Redaktion im Artikel und in der Bildunterschrift die Bemerkung eingefügt, das Kind leide „außerdem an einer neurologischen Vorerkrankung“.
Doch so billig kommt die ZEIT nicht davon.
Wofür ist das Bild ein Beleg?
Erstens hätte die Redaktion das Bild prüfen müssen, auch hinterfragen, was wirklich gezeigt wird. Denn für den Artikel und seine These, dass Hunger so aussieht, gilt es ja als Beweis.
Nicht nur für eine Hungersnot in Gaza, sondern für Hunger ganz allgemein. Ein Beweis muss aber stimmen.
Zweitens geht es nicht nur um das Bild, sondern auch um den Text und die Behauptungen darin. Der stammt drittens von keiner geringeren Autorin als der stellvertretenden Chefredakteurin Malin Schulz.
Ihr Kommentar ist eine Meditation über den Hunger und wie er – angeblich – aussieht. Sie meditiert darin über den Krieg der Bilder und die Ethik des Zeigens: Darf man so ein Bild zeigen, ist das zu grausam, macht es das Kind würdelos, schockiert es das Publikum?
Hier ein Ausschnitt aus dem Textanfang vom 26.7.2025, das Original, ohne die inzwischen eingeschobene Bemerkung, das Kind sei „neurologisch vorerkrankt“.
Aufgenommen wurde es erst am 24. Juli 2025 von dem palästinensischen Fotojournalisten Ali Dschadallah. Es zeigt den Jungen schwer geschwächt in einem Zelt in Gaza-Stadt, ohne Zugang zu Milch oder anderer Nahrung. Ein Bild unter vielen. Wie kritisch muss man diesen Fotos gegenüber sein? Sind sie Teil eines Informationskriegs, Munition im Ringen um Unterstützung für eine Seite, gegen die andere Seite? Egal, wie die Antwort ausfällt: Muss man solche Bilder dennoch zeigen, weil sie eine schreckliche Realität dokumentieren? Ja.
Realität. Dokumentieren. Ja – dieser Aplomb ist nur moralisch begründet, was folgt, ist aber journalistisch falsch. Denn das Bild dokumentiert gerade nicht die Realität des Hungers.
Die Argumentation von Schulz läuft damit auf ein „Der Zweck heiligt die Mittel“ heraus: Man kann Fotos auch unkritisch zeigen, ungeprüft, wenn nur die moralische Empörung groß genugt ist und das Ziel in Sicht ist – Empörung bei den anderen.
Das wiegt schwer. Das kann nicht gelten, in einem deutschen Qualitätsmedium, und schon gar nicht von einem Mitglied der Chefredaktion.
Denn Malin Schulz ist nicht irgendwer.
Sie ist stellvertretende Chefredakteurin und zudem als „Visual Director“ zuständig für alle Bilder der ZEIT. Sie werde, so die Verlagsmitteilung der ZEIT-Gruppe von 2023 zu ihrem Aufstieg, „journalistische Inhalte kanalübergreifend inszenieren“.
Diese Inszenierung ist ihr gelungen, kann man sagen.
Aber journalistisch ist da nichts. Denn nicht nur das Titelbild zum Beitrag segelt unter falscher Flagge, auch die Behauptungen im Text sind falsch.
Hunger als erster Schrei des Menschen
Schulz äußert sich darin nämlich sehr grundsätzlich und dramatisch zum Thema Hunger.
Wir wollen – neben dem falschen Bild – mahnen, dass die Redakteure der ZEIT einen solchen Text hätten prüfen müssen, bevor er erscheint. Zum Beispiel Kollegen aus den Ressorts Wissenschaft oder Medizin.
Schulz behauptet nämlich:
„Der erste Schrei eines Menschen ist der nach Essen“.
Das ist falsch. Neugeborene Kinder müssen gar nicht schreien.
Ihr natürlicher Atemreflex setzt durch die Geburt ein. Früher wurden Neugeborene geschlagen und geschüttelt, nur um mit dem Schreien diesen Reflex besonders stark auszulösen und schlicht festzustellen, ob das Kind lebt.
Heute macht man das nicht mehr, um Mutter und Kind nicht gleich zu erschrecken. Es ist auch nicht nötig.
Geburtshelfer legen das Neugeborene sanft auf den Bauch der Mutter, wo es ihren Duft atmen, ihre Haut spüren und sich sicher fühlen kann. Dann atmet es von selbst, seufzt vielleicht, grunzt. Aber es schreit nicht. Es hat auch nicht sofort Hunger. Der Saugreflex setzt erst später ein, das kann bis zu zwei Stunden dauern. In dieser Zeit gibt das Baby vielleicht Geräusche von sich, muss aber ganz und gar nicht schreien. Es hat auch nicht gleich Hunger.
Zweitens schießt die Milch der Mutter, die echte, nahrhafte Milch, erst nach ein bis zwei Tagen ein. Zuerst kommt die Vormilch, das Kolostrum, die dazu da ist, den Darm des Kindes zu stimulieren. Hunger muss sich erst einstellen.
Hunger ist nicht der wichtigste Trieb
Auch die zweite Behauptung im Text ist falsch:
„Hunger ist das wichtigste Bedürfnis, das es gibt“
Nein. Andere Bedürfnisse sind ebenso wichtig oder sogar wichtiger für ein Baby, darunter Schlaf, Berührung, Wärme, Sicherheit, auch Durst ist ein mächtigerer Trieb als Hunger. Neugeborene schreien, wenn sie sich alleine fühlen, wenn niemand sie auf den Arm nimmt. Das ist buchstäblich der erste Schrei.
Der absolut gruseligste Versuch der Weltgeschichte dazu stammt vom Meister aus Deutschland, dem KZ-Arzt Josef Mengele in Ausschwitz.
Der Sadist hatte einer jungen Mutter die Brüste abbinden lassen und verhindert, dass sie ihr Neugeborenes stillt. Sie musste es aber wickeln und bei sich liegen haben, denn Mengele wollte wissen, wie lange ein Baby ohne Nahrung überlebt, wenn es sonst versorgt wird.
Nach acht Tagen war das Kind immer noch nicht verhungert. Eine Ärztin setzte ihm die Todesspritze, um wenigstens die Mutter zu retten. Ihre Geschichte hat die Mutter Ruth Iliav dem Dokumentarfilmer Claude Lanzmann in „Shoah“ erzählt.
Eine öffentlicher Rückzug ist fällig
Wir wollen uns jetzt nicht weiter in Details verlieren.
Aber es hätte den Fachredakteuren bei der ZEIT auffallen können, dass die melodramatischen Sätze von Schulz ebenso gefühlige Propaganda sind wie das gefakte Bild.
Journalisten aber sollten, wenn sie schon Gefühle wecken wollen, wenigstens die Fakten prüfen.
Sie müssen wissen, was ein Beleg oder Fotobeweis ist und was nicht. Welches Bild etwas dokumentiert und was nicht. Was „dokumentieren“ bedeutet und was nicht
Was die Hunger-Thesen angeht: Auch in einem Kommentar, einem Meinungsbeitrag, dürfen keine falschen Aussagen verbreitet werden, dazu hat sich der Presserat schon mehrfach geäußert.
Wir meinen: DIE ZEIT hat hier gegen den Pressekodex, nämlich die Sorgfaltspflicht und die Wahrhaftigkeit, verstoßen, in Bild und Text.
Und das direkt aus der Chefredaktion heraus. Die ist zwar in guter Gesellschaft, auch CNN, BBC, The New York Times und andere internationale Dickschiffe haben dasselbe Foto mit dem Jungen auf dem Arm der Mutter als Beleg für verhungernde Kleinkinder in Gaza genommen.
Aber DIE ZEIT ist ein deutsches Leitmedium, ein absolutes Qualitätsblatt. Das ist uns nicht egal. Sie genießt internationale Reputation und gilt als besonders seriös.
Die Chefredaktion der ZEIT rund um Giovanni di Lorenzo sollte sich jetzt entschuldigen und den Beitrag löschen.
Malin Schulz aber muss aus der Chefredaktion zurücktreten.
Betroffen sein von Bildern, das ist zwar ihr Metier, das hat sie gelernt. Aber das dramatische Ausinszenieren des Fotos unter ihrer Regie, dazu der schiefe Text mit falschen Behauptungen – das geht im Qualitätsjournalismus nicht.
©Johanna Bayer
Blogger David Collier über die Fotoreportage, aus der das von der ZEIT verwendete Bild stammt.
FAZ, Michael Rüb, über die irreführenden Gaza-Bilder und die Anti-Israel-Propaganda
Mit Fakes gegen Israel – Bericht der Jüdischen Allgemeinen über die gestellten und gefälschten Fotos im Interesse der Hamas. Erwähnt wird dort auch die NGO „Honest Reporting“, die sich der Aufklärung von tendenziösen Berichten über Israel widmet.
DER SPIEGEL – Archiv – über den Fall Ruth Iliav, Opfer von KZ-Schlächter Josef Mengele
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