In der FAZ behauptet ein Fastenarzt, dass Eier ungesund sind, die Redakteurin lässt das unkommentiert stehen – warum? Auch wenn man wenig über Ernährung weiß: So eine steile Aussage kann man doch hinterfragen? Quarkundso.de muss mal wieder nacharbeiten.
Die FAZ ist wieder dran, hatten wir schon länger nicht mehr. Gleich mehrere ihrer Artikel sind auf dem Radar von Quarkundso.de erschienen, ausgewählt haben wir ein Interview vor, Thema: „Gesundes Frühstück“.
Interessant wäre auch das lange Pamphlet gegen „ungesunde Ernährung“ gewesen, das FAZ-Autor Strobel y Serra ins Feuilleton gestellt hat.
Ein starkes Stück mit wilden Einlassungen, das gerade in der Abteilung Dokumentation und Recherche liegt. Ist aber sehr viel Holz, das dauert noch.
Vorerst nehmen wir uns ein Interview mit einem richtigen Wissenschaftler vor.
Das Genre Interview ist interessant, weil sich daran zeigt, ob Journalisten sich im Thema auskennen und kritisch nachfragen können – oder ob sie den Experten nur Rampen bauen.
Die können dann Zeug in die Welt setzen, für das die Redakteure keine Verantwortung tragen. Es war ja der Experte.
„Eier sind nicht gesund“ – wie bitte?
Was dabei rauskommt, haben wir schon 2015 anlässlich eines GEO-Interviews mit Harald Lemke schon dargestellt: Der verzerrte die Fakten massiv und verzapfte Nonsens – völlig unbehelligt vom Journalisten, Link steht unten.
Ein neuerer Fall ist das peinliche Ding im SPIEGEL: Im Juni 2023 ließ der Historiker und Wissenschaftsredakteur Frank Thadeusz eine Lifestyle-Autorin über Esskultur schwadronieren, dazu kam ein faktenwidriger und irreführender Titel. Der führte zu unserer Beschwerde beim deutschen Presserat, mit Erfolg: Der SPIEGEL verstieß gegen die Sorgfaltspflicht.
Jetzt also die FAZ. Feuilleton-Redakteurin Katrin Hummel, eigentlich spezialisiert auf Gesellschaftsthemen, befragte den Arzt und Forscher zu Naturheilkunde Prof. Dr. Andreas Michalsen.
Es ging ums Frühstück, jedenfalls ist das Interview überschrieben mit „Gesundes Frühstück“ und einem knackigen Zitat von Michalsen.
Das hat es in sich:
„Eier sind nicht richtig schlimm, aber auch nicht gesund“.
Quelle: FAZ
Eier sind nicht gesund? Das lassen wir erstmal sacken.
Gleiches hat die FAZ-Redakteurin getan: Sie ließ den Satz von Michalsen stehen und ging zur nächsten Frage über.
Warum fragt die FAZ-Redakteurin nicht nach?
Auch mit nur wenig Fachwissen hätte der Redakteurin etwas auffallen können, bei den Eiern: Sind sie nicht seit Menschengedenken Bestandteil der Ernährung?
Gelten Eier zum Frühstück nicht als kräftig und nahrhaft, gehören sie nicht zu einem guten Frühstück vielen Ländern der Welt? Wird nicht seit Jahrzehnten ein eiweißreiches Frühstück, etwa mit Rühreiern, empfohlen, gerade für Schulkinder?
Und ist nicht diese Cholesterin-Debatte längst vom Tisch, was seit 10 Jahren breit durch die Medien gibt – samt Entwarnung bei Eiern?
Derlei hätte Frau Hummel ruhig einwerfen können. Sie hat sogar eine eigene Kochkolumne, minimale Warenkenntnisse setzen wir voraus.
Aber wir helfen gerne mit etwas Hintergrund: Eier sind beliebte Beute omnivorer und fleischfressender Tiere, von Krähen und Raubvögeln über Eichhörnchen, Marder und Katzen bis zu Hunden, Bären, Pavianen und Schimpansen.
Zu diesen Spezies gehören die Menschen. Wir sind Allesfresser und mögen Eier gerne. Es gibt keine Kultur, die keine Eier verzehrt.
WHO: Eier sind hochwertig und besonders nährstoffreich
Die kleinen Nährstoffbomben liefern vor allem hervorragendes Protein, und zwar in einer Form, die von keinem anderen Lebensmittel übertroffen wird: Weder Fleisch noch Fisch und schon gar nicht Getreide oder Gemüse bieten vergleichbar gut für den Körper verwertbares Protein.
Fachleute kennen das unter „biologische Wertigkeit“, Eier liefern hier den Referenzwert von 100. Alle anderen einzelnen Nahrungsmittel liegen darunter – nur mit geschicktem Kombinieren erreicht man den Eier-Score von 100 oder darüber.
Auch die Ernährungsabteilung der Weltgesundheitsorganisation WHO, die FAO – Food and Agriculture Organisation – wirbt für Eier, weil sie neben dem hochwertigen Protein wichtige Vitamine und andere Mikronährstoffe liefern, darunter Vitamin A und Vitamin B12.
Letztere kommen in Gemüse und Getreide gar nicht oder nur geringfügig vor. Besonders der Mangel an Vitamin A ist in armen Ländern aber Ursache für Augenkrankheiten und Blindheit.
Mangelkrankheiten: Kinder mit Eiern und Milch aufgepäppelt
Wie überaus nahrhaft und wertvoll Eier sind, wissen Ärzte seit Jahrhunderten, denn Eier dienten immer als Schon- und Krankenkost.
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert päppelten Mediziner Kinder, die an Mangelkrankheiten litten, mit Milch und Eiern auf. Wie kommt Professor Michalsen also darauf, zu behaupten, dass Eier „nicht gesund“ sind?
Sein Eierverdikt begründet der Fastenarzt so:
Wenn man mehr als drei bis fünf Eier pro Woche isst, entsteht ein geringes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Eier sind nicht mehr so ungesund, wie man früher dachte, aber sie bleiben weiterhin, ich sag mal, tendenziell ungesund.
Quelle: FAZ-Interview vom 13.5.2024
Geringes Risiko: Reicht das, um apodiktisch zu urteilen, dass Eier nicht gesund sind?
Es gibt keinen Grenzwert für Eier
Nein. Natürlich reicht das nicht.
Studien, auf die Michalsen sich beziehen könnte – er nennt sie nicht explizit – stammen von 2019, aus Schweden und den USA.
Die haben damals jenes geringe Risiko ergeben. In Fachkreisen wurden die Zahlen als so unerheblich betrachtet, dass nicht einmal die Herzstiftung was gegen Eier sagen wollte.
Bis heute gibt es weder Verbote noch so etwas wie Grenzwert für Eier, der Art: „Nicht mehr als fünf pro Woche, sonst Herzinfarkt!“.
Kein Fachverband in Europa hat nach diesen Studien jemals etwas gegen Eier gesagt, in Deutschland äußerte sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, DGE, in einer Stellungnahme von 2020:
Dabei zeigen die Studienergebnisse weder eindeutig negative, noch eindeutig positive Auswirkungen des Eierverzehrs auf die untersuchten Endpunkte. Aufgrund dieser widersprüchlichen Ergebnisse kann aktuell keine konkrete Verzehrsmenge für Eier abgeleitet werden.
Quelle: DGE
Der Fokus sollte daher nicht auf einer Diskussion über Grenzwerte für den Eierverzehr bzw. die damit verbundene Cholesterinzufuhr, sondern auf der Gesamtqualität der Ernährung und einem gesunden Lebensstil liegen.
Seitdem gilt die Eierdiskussion als abgeschlossen. Nur Professor Michalsen reitet das tote Pferd weiter.
Michalsen: Haferschleim für alle
Warum, wollen wir noch beleuchten, und natürlich sollte man aus Umwelt- und Klimagründen nicht ständig Eier konsumieren etc. pp.
Aber zum Frühstück ist auch längst alles gesagt, sogar von der FAZ.
Erst im Juni 2023 hat das Blatt dazu den britischen Ernährungsforscher Tim Spector befragt. Der verliert kein Wort zum Ei, auch schreibt er kein spezielles Frühstück vor.
Anders Michalsen. Der Naturheilkundler bewertet im FAZ-Interview jede einzelne Frühstücksvariante, von Marmelade, Toast, Croissant, Nutella bis Jogurt, Obst, Müsli, Brot und eben Eiern.
Dabei bleibt nur ein einziges Gericht als „gesund“ oder „ideal“ übrig, für alle: Haferschleim. In Wasser gekocht.
Das klingt so einseitig und langweilig wie totalitär: Ein einziges Gericht für alle? Womöglich jeden Tag? Das wirkt geradezu unmenschlich, auch wenn man laut Michalsen Beeren und Nüsse reinmischen, notfalls Jogurt oder Milchersatz.
Mal wieder vorgeschoben: „die Asiaten“
Echte Milch hält Michalsen übrigens ebenso für Teufelszeug wie Eier. Alternativen sieht er in ausländischen Frühstücksgewohnheiten, wozu Redakteurin Hummel diensteifrig sekundiert.
Zwecks Analyse stellen wir die ganze Passage ein:
Michalsen: „… ganz ideal wäre es, wenn man Hülsenfrüchte zum Frühstück essen würde, also Linsensuppe oder Sojabohnen oder Kichererbsen oder Hummus. Das würde dazu führen, dass wir bei der nächsten Mahlzeit nicht nur weniger Hunger hätten, sondern auch unser Blutzuckeranstieg nicht so stark wäre. Aber das ist bei uns kulturell nicht vermittelbar.
In Asien essen die Leute morgens gerne eine Suppe. Wäre es nicht auch von uns ziemlich schlau, die Reste vom Vortag zum Frühstück zu essen, etwa von einem Gemüsegericht?
Michalsen: Absolut, genau! Wir haben bei unserer Frühstückskultur leider zu viel Süßes drin. Das ist genau der Punkt. In Indien werden tatsächlich auch oft Gemüse- und Linsengerichte morgens als Suppe verzehrt. Das wäre an sich ein ideales Frühstück. Die Variante mit Haferbrei und Obst ist aber auch sehr gesund.
Wäre die indische Suppe denn noch besser als Haferschleim?
Also, wenn Sie Beeren und Nüsse in Ihren Haferschleim reintun und keinen Zucker, dann ist der genauso gut. Wenn Sie wirklich nur Porridge essen ohne alles, dann wäre die Gemüsesuppe besser, weil Gemüse und Obst einfach sehr, sehr viel sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, sogenannte Polyphenole. Die sind für das Mikrobiom und die Körperzellen sehr, sehr wichtig.
Originaltext Interview FAZ
Diese Exoten-Masche – aber fremde Völker! – ist leider so klischeehaft wie irreführend.
Sie wird von interessierten Kreisen angewendet, wenn sie ihre Ideologien rechtfertigen wollen, aber so, dass es niemand gleich überprüfen kann.
Dann kommen Menschen ins Spiel, die ganz weit weg sind, gerne Bewohner entlegener Gegenden, in Hochtälern, auf Inseln, im Urwald. Das Argumentationsmuster ist:
„In Asien / in fremden Ländern / in den Zonen der Hundertjährigen wird aber nur / kein / wenig / dies / das seit Jahrtausenden gegessen!“
Wie sich dann herausstellt, stimmt das Behauptete nicht. Nie.
„Inder essen morgens Suppe“ – von wegen
Die Beispiele sind legendär und reichen von angeblich vegan lebenden Buddhisten und Hindu-Sekten (keine Veganer) bis zu den sagenhaften Hunza (genauso ungesund wie alle), von Okinawa (essen fetten Schweinebauch) bis Kreta (essen Schaf-, Ziegen- und Schweinefleisch sowie viel Käse).
Ärgerlich ist schon das pauschale „in Asien“, das Journalistin Hummel in der Frage anbringt: Asien ist ein riesiger Kontinent und seine Küchen sind so unterschiedlich wie die von Finnland und Sizilien.
Manche Ost-Asiaten, darunter Koreaner, Vietnamesen und Japaner essen morgens eine Brühe mit Fisch, Algen oder Huhn, dazu Reis.
Ganz viele aber nicht: Es gibt eine Fülle von Frühstücksgerichten „in Asien“, etwa Dim Sum, die chinesischen Ravioli, mit Fleisch gefüllt; jede Menge Frittiertes sowie Nudeln und Reis mit Fisch, Huhn, Schweinefleisch oder (sic) Eiern.
Dass die Inder zum Frühstück Suppe, gar aus Resten, ist auch Quark.
Erstens gibt es in Indien keine Reste. Da wird auf den Punkt und frisch gekocht, aus verschiedenen, auch hygienischen Gründen. Auf Reste ausgelegt ist da nichts.
Vor allem sehen traditionelle indische Frühstücksgerichte ganz anders aus: frittierte (!) Teigtaschen, knusprig frittiertes (!) Gemüse, in Butterschmalz (!) gebackenes Brot, gedämpfte Reiskuchen, gekochtes Gemüse, Curry mit Brot oder Reis.
Fantasien aus der Cross-over-Küche
Überhaupt spielen Suppen in der extrem vielfältigen indischen Küche keine große Rolle.
Erstaunlich für Europäer, aber wahr, und auch ganz gut zu erklären, wenn man sich das Konzept „Suppe“ klarmacht. Wir werden uns der Sache noch widmen, in einem Beitrag zur Rubrik Küchenzeile.
Die indischen Currys, Sambar und das Linsengericht Dal, die Michalsen vielleicht gemeint haben könnte, falls er mal in Indien war, sind aber keine Suppen.
Sie werden immer mit Brot und Reis gegessen, nicht mit dem Löffel, und haben eine püreeartige Konsistenz.
Wir vermuten, dass Michalsen da etwas zusammenwirft, was aus Legenden über Indien und den Cross-Over-Küchen westlicher Fastenkliniken stammt.
In diesen Anstalten schwört man ja auf Suppe, gerne „ayurvedisch inspiriert“. Ganz weit vorne mit den Fastensuppen sind die Buchinger- Leute: Buchinger-Fasten besteht nur aus Suppen, bis zu drei Wochen lang.
Datenlage zum Fasten: geht so
Zufällig kommt Michalsen genau aus dieser Ecke. Er bezieht Honorare von den Buchinger-Kliniken und ist dort wissenschaftlicher Berater, was er übrigens als Interessenskonflikt bei wissenschaftlichen Arbeiten zum Fasten und zu Ernährung angeben muss.
Auch dazu kommen wir noch, jedenfalls hält Michalsen Fasten für den „therapeutischen Königsweg“, sogar für einen universellen Jungbrunnen. Er hat auch Studien dazu gemacht, etwa zur Wirkung von Fasten bei Diabetikern, Rheumapatienten oder MS-Kranken.
Aber erstens ist die Datenlage zum Fasten nicht ganz so eindeutig, wie Michalsen es behauptet, so etwa Bernhard Watzl, Ernährungsforscher und Präsident der DGE.
Zur bisherigen Datenlage zum Thema Fasten sagt Watzl: „Fasten ist nur etwas für die Menschen, die es nicht schaffen, ihre Energieaufnahme zu begrenzen“, sagte er. Dann könne der zeitweise Verzicht auf Nahrung etwa helfen, bestimmte Rezeptoren im Körper wieder zu sensibilisieren.
Quelle: Forschung & Lehre 2022, dpa
Was gut für Kranke ist, muss nicht gut sein für Gesunde
Vor allem aber ist die Ernährung von chronisch Kranken, deren gestörtes Immunsystem auf Nahrung anders reagiert als bei Gesunden, ist kein Maßstab.
Und selbst wenn Klinikärzte mit ein, zwei Hafertagen den entgleisten Stoffwechsel von Diabetikern ruhigstellen: Das bedeutet nicht, dass nichts anderes möglich oder nicht zuträglich ist – oder gar „ungesund“.
Es bedeutet auch nicht, dass man Diabetes bekommt, wenn man morgens etwas anderes isst als Haferschleim mit Wasser.
In einfachen Worten: Was gut für Kranke ist, muss nicht gut sein für Gesunde.
Sonst müsste man, nach dieser Logik, auch Äpfel und Nüsse verbieten – schließlich gibt es Leute, die darauf allergisch reagieren!
Rigide Einteilung in „gesund“ und „nicht gesund“
Die FAZ-Redakteurin hat den Behauptungen Michalsens aber an keiner Stelle etwas entgegenzusetzen.
Stoisch fragt sie ihre Liste ab: Was ist gesund, was ist mit Kaffee, kann man Milch reinschütten, macht ein üppiges Frühstück länger satt als ein reichhaltiges Abendessen, was sollte man auf keinen Fall essen?
Michalsen antwortet genau auf Stichwort und teilt rigide in „gesund“, „nicht so gesund“ und „ungesund“ ein.
Als „ungesundes“ Frühstück bezeichnet er neben dem Marmeladenbrot ein Schokocroissant und Kaffee mit Zucker.
Nun frühstücken aber Millionen von Menschen in Frankreich, Italien und Spanien seit Generationen so. Und sie sind keineswegs weniger gesund als die Deutschen.
Dafür leben sie länger. Anders gesagt: Am Frühstück hängt die Gesundheit nicht.
Sondern an der gesamten Esskultur und -struktur, am Gewicht, an vielem anderen. Wenn man das ernst nimmt, immerhin die gültige Doktrin in Ernährungsmedizin und DGE, sollte klar sein, dass das Starren auf eine einzige Mahlzeit und nur bestimmte Lebensmittel unsinnig ist.
Feindbild Fleisch
Wie auch immer: Michalsen macht gerne steile Behauptungen, besonders hat er es auf Fleisch und tierisches Eiweiß abgesehen.
Im ZDF hat er vor Jahren schon verkündet, in Fleisch seien „keine guten Inhaltsstoffe wie Vitamine enthalten“, sondern nur solche von „überwiegend negativer Natur“, Fazit:
„Fleisch ist also ein relativ wertarmes Lebensmittel, das wir aber in viel zu großer Menge konsumieren.“
Quelle: ZDF-Sendung "Vegetarier kontra Fleischesser - das Duell", 10.6.2014
Die Aussage ist haarsträubend falsch und verunsichert Menschen mit gezielter Wissenschaftsbeugung.
Für solche Empfindlichkeiten hat Michalsen aber nichts übrig. Die Anti-Eiweiß-Propaganda gehört zu seinem Hintergrund aus der Naturheilkunde und gewissen Zelltheorien, denen er anhängt.
Hier ist er Jünger des Alterforschers Valter Longo, der an der Universität UCLA in Kalifornien sitzt.
Alterforscher Longo: wenig essen
Dessen Forschung spielt sich hauptsächlich im Reagenzglas, an Würmern, Fliegen und Mäusen ab
Die Resultate sind natürlich nicht direkt auf den Menschen übertragbar, aber wenigstens übertreibt es Longo nicht mit Ernährungsgaga: Seine Ratschläge sind nicht übermäßig extrem, er empfiehlt Maßhalten, möglichst wenig Eiweiß, Intervallfasten. Der Anteil an Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett in seinen Empfehlungen entspricht ungefähr den Angaben der DGE.
Auch Michalsen meint es natürlich gut – eigentlich. Gegen sein Ziel, Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herzinfarkt, Arthrose und Adipositas in den Griff zu kriegen, ist nichts zu sagen.
Aber der Zweck darf nicht die Mittel heiligen.
Rigide Vorschriften, die mit Falschbehauptungen und Angstmache durchsetzt werden, sind gerade für Menschen, die Probleme mit dem Essen haben, kontraproduktiv.
Agenda: Angstmache rund um Ernährung
Auch ist längst erwiesen – und es gibt keine ernsthaften Wissenschaftler, die widersprechen würden -, dass es nicht einzelne Lebensmittel sind, die ernährungsbedingte Krankheiten auslösen.
Sondern Übergewicht.
Übergewicht, das ergaben große Studien, darunter die EPIC-Studie, ist der stärkste Risikofaktor für Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs und Arthrose, weit stärker als angeblich „ungesunde“ Ernährung.
Ganz gleich, wie man sich das Körperfett anfrisst, übrigens, ob mit Burgern und Gummibärchen oder mit Vollkornbrot und Nudeln.
Michalsens Angstmache mit hochgejazzten angeblichen Risiken von einzelnen „ungesunden“ Lebensmitteln und seine fast fanatische Fixierung auf bestimmte Lebensmittel, Inhaltsstoffe und angeblich gesunde Gerichte ist auffallend.
Geld von esoterischer Stiftung und Klinik-Konzern
Dabei ist Michalsen als Experte für Ernährung keineswegs, wie es etwa sein Verlag behauptet, weltbekannt ist. Streng genommen ist er Experte für Naturheilkunde und vielleicht auch Fastenmedizin.
Seine Arbeiten drehen sich vor allem um naturheilkundliche Methoden, da geht es etwa um Blutegel, Kneipp-Medizin, Alexander-Atemtechnik, Homöopathie und Ayurveda.
Dafür bekam er über Jahre Geld von einer einschlägig bekannten Stiftung, der esoterischen Carstens-Stiftung, vom SPIEGEL einst als Lobbyverein für Homöopathie bezeichnet. Dort ist er inzwischen sogar zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen.
Seit einigen Jahren erst ist Fasten sein besonderes Steckenpferd. Für Buchinger hat er eine große Studie über die Folgen des Buchinger-Fastens durchgeführt, Ergebnis natürlich positiv.
Aber nicht nur als wissenschaftlicher Berater, Dozent und Referent der Buchinger-Gruppe verdient Michalsen Geld, sondern auch mit Online-Fastenkursen, einer Fasten-App und Ratgebern.
Ach so, ein neues Buch
Das will jetzt natürlich alles nichts heißen. Irgendwoher muss das Geld ja kommen.
Dass all das im FAZ-Interview nicht erwähnt wird, keine kritische Frage kommt und Michalsen sich als Universalgelehrter über das Essen ausbreiten darf, ist für ein Qualitätsblatt sehr schade.
Man könnte von Journalisten erwarten, dass sie sich anschauen, was ihre Interviewpartner machen, wer diese bezahlt und welche Interessen sie verfolgen, unter Profis auch als „Einordnen“ bekannt.
Stattdessen erwähnt die FAZ unter dem Interview, dass der Professor gerade ein neues Buch herausgebracht hat. Das kostenlose Rezensionsexemplar lag wohl gerade in der Redaktion auf dem Tisch.
Wir lassen das jetzt mal so stehen.
©Johanna Bayer
Interview mit Prof. Dr. Andreas Michalsen in der FAZ vom 13.5.2024
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Beitrag über Ernährung und Altersforschung, Zitat Bernhard Watzl, DGE
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Maja Benke
Von der FAZ hätte ich weniger grüne Propaganda erwartet. Mal schauen, wann sie gegen Milch und Fleisch schießen, vielleicht sollten sie sich in taz umbenennen.