Gefundenes Fressen

Im SPIEGEL: Ein Soziologe „erklärt, was an Fleischkonsum sexistisch ist“. Wir haben Fragen

Männer am Grill: Alles Sexisten?

Wieder ein Interview, wieder Fleisch, wieder DER SPIEGEL: Die üblichen Verdächtigen sind öfter dran, aber das liegt nicht an uns. Sondern an so steilen Thesen wie „Der Mann, der Fleisch isst, unterwirft symbolisch die Frau“. Das schluckt DER SPIEGEL ohne Nachfrage – wir nicht.

Wir wiederholen uns ungern. Aber als gewissenhafte Beobachter der Ernährungsdebatte müssen wir uns nach den Themen richten, die häufig auf unserem Radar erscheinen.

Fleisch gehört dazu, ob wir wollen oder nicht.

Daran arbeitet sich die Presse seit Jahrzehnten ab, erst wegen der Kalorien, dann wegen Herzinfarkt, dann wegen Krebs, dann wegen des Tierleids, dann wegen des Klimas.

Zum Glück wird uns dabei nicht langweilig, weil immer wieder frischer Unsinn kommt, oder derselbe alte mit neuen exzentrischen Begründungen.

Das gilt auch für Leit- und Qualitätsmedien. Und ausgerechnet dort erweist sich das klassische Informationsgenre Interview erstaunlich oft als Schwurbelschleuder, wie wir GEO, FAZ, ZEIT und SPIEGEL schon attestieren mussten.

Titel und Vorspann: Zuspitzen, bis es knallt

Erschwerend kommt der Zwang dazu, Titel und Teaser bis an den Rand des Vertretbaren zuzuspitzen, um Leser anzuziehen.

Deshalb hatten wir den SPIEGEL schon 2023 vor der Flinte, wegen „Jesus war Veganer“, und der Presserat erkannte tatsächlich einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht.

Aber beim SPIEGEL lassen sie sich nicht beirren. Die machen weiter und toben sich bei Überschrift und Vorspann richtig aus, Hauptsache, die Klicks stimmen.

So erschien am 3. Oktober 2024 dieser Titel samt Vorspann, und zwar im Ressort Gesundheit:

Screenshot Titel und Vorspann im SPIEGEL vom 3.10.2024

 

Wie bitte? Fleischessende Männer machen was genau mit Frauen? Und das hat was genau mit Gesundheit zu tun?

Das fragten sich wohl viele, die dem SPIEGEL empörte oder belustigte Kommentare unter das Interview geschrieben haben, auch auf Twitter-X schlug der Beitrag Wellen.

Tatsächlich möchte man gerne wissen, wie Soziologe Dr. Martin Winter, der sich so zitieren lässt, seine Aussagen belegt.

Dem Interview im SPIEGEL war das leider nicht zu entnehmen – Fragen und Antworten zu Beweis, Begründung, Forschungsstand, Hintergrund, Methoden, Daten, Zahlen, anderen Stimmen fehlen.

Wer erforscht eigentlich unser Essverhalten?

Zum eigentlichen Interview kommen wir gleich, erstmal lohnt es sich, den Vorspann genau zu betrachten, denn der macht den Lesern ein Versprechen.

Hier nochmal im Wortlaut:

„Was sagt unser Essverhalten über uns aus? Martin Winter hat es erforscht. Hier erklärt er, warum Frauen häufiger vegetarisch leben als Männer – und was an Fleischkonsum sexistisch ist.

Nun erforschen Soziologen aber, glauben wir naiv, das menschliche Essverhalten gar nicht, jedenfalls nicht direkt. Das machen Psychologen, Verhaltensbiologen, Ernährungswissenschaftler, ganz andere Leute. Nicht Soziologen.

Die betrachten, nun ja, gesellschaftliche Strukturen, auch soziale Einflüsse auf Verhalten. Aber Verhalten oder gar das Essverhalten insgesamt können sie weder alleine erforschen noch erklären.

Auf diesem Punkt müssen wir leider rumreiten.

Denn die Teaser-Autoren haben so massiv verkürzt und apodiktisch behauptet, dass sie ihre Leser in die Irre führen.

Wenn man sich den Inhalt der Sätze nämlich klarmacht, erscheint ein junger Nachwuchswissenschaftler, ein PostDoc, frisch promoviert seit 2021, im SPIEGEL als graue Eminenz vom Rang eines Nobelpreisträgers, der „das menschliche Essverhalten erforscht hat“.

Im Ganzen, und in einer Disziplin, die dafür gar nicht zuständig ist.

Steile These, keine Nachfrage

Laut Vorspann kann der Nachwuchsforscher dann nicht nur erklären, warum Männer mehr Fleisch essen als Frauen.

In demselben Duktus einer allseits bekannten Tatsache stellt der SPIEGEL fest, dass Fleischkonsum an sich sexistisch ist.

Nicht als Zitat, nicht als (Einzel-)Position eines Forschers, mit der sich die Redaktion nicht gemein machen muss. Sondern affirmativ, als Faktum: „Was an Fleischkonsum sexistisch ist“ behauptet, dass fleischessende Männer Frauen verachten, diskriminieren oder gar hassen.

Da schlägt es wirklich 13. Meinen die das ernst, beim SPIEGEL, in der Teaser-Redaktion, und im Wissens- und Gesundheitsressort?

Mindestens könnte man diese Position doch als – hinterfragbare – These darstellen.

Die Frau als Heimchen am Herd

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Wissenschaftsblog 2015: Sonderpreis der Redaktion „Wissenschaft kommuniziert“

Aber ohne jede Einführung springt SPIEGEL-Redakteurin Weber ins Thema und fragt den jungen Soziologen, ob er erklären könne, warum Männer in Deutschland fast doppelt so viel Fleisch essen wir Frauen.

Der behauptet prompt, im 19. Jahrhundert sei die Industriegesellschaft entstanden und „die Ständegesellschaft zerfiel“, was einen „gewaltigen gesellschaftlichen Wandel bewirkte“, bei dem die Frauen ins bürgerliche Privatleben verbannt wurden, zuständig nur für Heim und Kind.

Auf diesem Hintergrund sei das nahrhafte Fleisch ausschließlich Männern zugestanden worden, denen mehr zustand, schließlich waren sie „Fabrikarbeiter und Soldaten“.

Winters Argumentation zum Fleischverzehr als Männersache fußt auf diesem Bild vom 19. Jahrhundert, kritiklos geschluckt von SPIEGEL-Redakteurin Weber. Die schließt nur mit der Frage an, ob denn die Arbeit im Haushalt oder heutige, moderne „Care-Arbeit“ nicht auch Kraft koste.

Arbeitende Frauen: Dienstmagd, Köchin, in der Fabrik

Dabei verhält es sich mit der Geschichte arbeitender Frauen im 19. Jahrhundert durchaus anders: Erstens hat sich die Ständegesellschaft schon ab dem ausgehenden Mittelalter um 1400 verändert, als das Bürgertum entstand.

Im 19. Jahrhundert spielte sich aber, namentlich für Frauen, anderes ab: In den Städten sammelten sich die Industriearbeiter, das Proletariat entstand, massenweise kamen junge Menschen in die Städte, gerade auch Mädchen und Frauen.

Und die arbeiteten – als Dienstboten, Köchinnen, Kindermädchen, in der Fabrik, in Webereien und Wäschereien.

Es ist sogar das herausragende Merkmal des 19. Jahrhunderts mit seinen sozialen Umwälzungen, dass Frauen als Arbeiterinnen sichtbar wurden, Vereinigungen beitraten, streikten – und die Frauenbewegung entstand.

Das kitschige Bild vom Heimchen am Herd, das Winter entwirft, trifft allenfalls auf das sogenannte Bürgertum zu.

Laut Historikern ist das aber mit einem Anteil von, Achtung, mit 5 bis 15 Prozent der Bevölkerung nur eine „kleine Minderheit“. Handwerker und Ladenbesitzer sind dabei eingerechnet, wie der Historiker Jürgen Kocka schreibt, Spezialist für die Entwicklung des europäischen Bürgertums und der Geschichte der Arbeiterklasse.

Aber schon bei Gastwirten, Händlern und Handwerkern saßen die Frauen keineswegs mit dem Stickrahmen auf dem Sofa, sondern wirtschafteten, machten die Buchhaltung, standen im Laden und verkauften.

Für die armen Massen waren zugleich Ausbeutung und niedriger Lohn bedrückende Realität. Deshalb arbeiteten ganze Familien:

„Um auch nur die minimalste Versorgung sicherzustellen, mussten nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen und nicht selten die Kinder (deren Arbeitskraft bereits in den vorigen Jahrhunderten ausgebeutet wurde) in die Fabriken. „Bereits 1875 arbeiteten rund eine Million Frauen in der Industrie, dies entsprach etwa 20 Prozent aller dort Beschäftigten. Weitere 1,4 Millionen Frauen waren als Dienstmädchen beschäftigt, mindestens eine halbe Million Frauen verdienten Geld durch Heimarbeit.“

Quelle: Digitales Frauenarchiv, Arbeiterinnenbewegung, Autorin: Cornelia Wenzel

Aus welcher Ecke kommt das?

Diese Fakten unterscheiden sich ziemlich stark von dem biedermeierlichen Klischee, das Winter dem SPIEGEL hinwirft.

Es hätte der Redaktion gut angestanden, Winter hier nach seinen Daten, Methoden und seinem Hintergrund zu fragen, was natürlich voraussetzt, dass die Journalistin in der Oberstufe im Geschichtsunterricht aufgepasst hat.

Das Publikum darüber aufzuklären, aus welcher Ecke Winter kommt, wie er wissenschaftlich arbeitet und woher seine Thesen stammen, wäre jedenfalls journalistisch sauber gewesen. Diese Einordnung fehlt völlig.

Wie so oft müssen wir also das Grobe nachliefern: Dr. Martin Winter kommt aus der Gender-Forschung, er denkt, schreibt und forscht aus Gender-Perspektive. Zudem möchte er ausdrücklich die vegane Lebensweise und ihren Ort in der Gesellschaft untersuchen, auch ist er privat Veganer.

Seine im SPIEGEL vorgetragenen Positionen hat er in seiner Doktorarbeit von 2021 formuliert, Titel:

„Ernährungskulturen und Geschlecht.

Fleisch, Veganismus und die Konstruktion von Männlichkeiten“.

Fleisch als Zeichen – oder so

Scheinbar gilt sein Interesse in der Forschung nicht historischen Fakten oder Abläufen, sondern – neben dem Veganismus – einer besonderen kulturellen Bedeutung des Fleischkonsums, einem kulturellen Code, kürzer gesagt: dem Fleischessen als Zeichen. Oder Symbol.

So ungefähr – wir haben es nicht ganz verstanden.

Denn naiv wie wir von der Redaktion Quarkundso.de sind, betrachten wir Fleisch primär als Lebensmittel und Fleischessen als Art der Ernährung, die natürlich auch sozial und historisch bedingt ist.

Grundsätzlich ist Fleisch etwas, das Menschen überaus gerne essen – eigentlich am liebsten, weltweit, ob Mann oder Frau. Und dafür gibt es gute Gründe.

Mit harten Fakten wie dem Wert von Fleisch als Lebensmittel oder der nackten Notwendigkeiten menschlicher Ernährung will Winter allerdings nichts zu tun haben.

Zukunft ohne Fleisch

Logo Goldener Blogger

Die Goldenen Blogger: Nominiert als einer der vier besten Foodblogs 2015

Er tritt in seiner Doktorarbeit ausdrücklich dazu an, Natur und Biologie, Hunger, Appetit, Geschmack oder Kalorienbedarf als Motive menschlicher Handlungen aufzulösen.

In seiner Denkrichtung sind das eher Signale, eine Art Mimikry für Geschlechterrollen, Zweck: die „Konstruktion von Männlichkeit“, im Neusprech „Doing Gender“.

Ohne Fleisch war der Mann demnach bisher kein Mann.

Aber, so haben wir zumindest ein Argument der Dissertation verstanden, auch vegan lebende Männer können – ganz ohne Fleischkonsum – Männer sein und Muskeln haben.

Das hätte zur Folge, dass Fleisch in der Ernährung der Zukunft keine Rolle mehr spielt.

So ungefähr – wir haben diese Doktorarbeit nicht Seite für Seite durchgelesen, Gott bewahre. Hat Frau Weber vom SPIEGEL ja auch nicht.

Aber Querlesen hilft, und ein wenig googeln, wo und in welchen Projekten der Soziologe bisher gearbeitet hat, hilft auch: Bei der Arbeit von Winter handelt sich um Forschung aus einer ganz bestimmten Perspektive – erstens der Veganer, zweitens der Gender-Studien, drittens gewisser sozialkonstruktivistischen Ansätze.

Alle drei Richtungen sind in ihren theoretischen Voraussetzungen und praktischen Folgen durchaus umstritten.

Fleischkonsum als symbolische Unterwerfung der Frau

Wenn also DER SPIEGEL plump behauptet, gerade dieser vegane Nachwuchs- und Gender-Soziologe könne „unser Ernährungsverhalten“ erklären, weil er es „erforscht hat“, ist das irreführend

Und Redakteurin Weber bleibt auffallend naiv und affirmativ. Dabei hat sie als Wissenschaftsredakteurin viele Ernährungs- und Gesundheitsstudien kritisch analysiert. Nur beim veganen Gender-Forscher kommt ihr nichts komisch vor.

Das gilt auch für die merkwürdige Behauptung, die der SPIEGEL provozierend in den Titel gesetzt hat: Fleisch wird laut Winter mit Stärke und Männlichkeit assoziiert, dazu komme

„… eine sexistische Komponente, in der Fleisch und Frauenkörper miteinander assoziiert werden … Der Mann, der Fleisch isst, unterwirft nicht nur symbolisch die Natur, sondern auch die Frau“.

Werbung ist sexistisch – Fleischessen nicht

Das Bauch-Beine-Po-Beispiel aus der Werbung, das Winter dann erwähnt, verbindet Fleischstücke mit Körperteilen von Frauen, was den Soziologen dazu bringt, sich in kannibalistische Fantasien zu versteigen:

„Man könnte auch so weit gehen, dass Männer sich mit dem Fleisch Frauenkörper symbolisch einverleiben“.

Von einer vulgären Werbeanzeige auf Motive und Einstellungen von Männern zu schließen, auch wenn man sie „symbolisch“ nennt, erscheint uns allerdings nicht sehr wissenschaftlich, ganz gleich, aus welcher Disziplin man kommt.

Denn natürlich ist Werbung ist oft sexistisch – Fleischessen aber nicht.

Wir müssen dafür nicht einmal das Totschlagargument aus der Evolutionsgeschichte bemühen, in der Menschen, Frauen genauso wie Männer, durch Fleischessen … nein, das wäre unfair, einem Veganer gegenüber.

Aber es erstaunt, wie ungerührt Weber ihren Interviewpartner nach solchen Spekulationen weiter als Welterklärer für Ernährung anspricht.

So fragt sie ihn nach dem Raw-Meat-Trend, bei dem Privatleute und Influencer etwa auf TikTok das Essen von rohem Fleisch propagieren. Winter antwortet darauf so ungehemmt wie zuvor.

„Ich würde das so deuten, dass dieser Trend einerseits eine Natürlichkeit und Reinheit imaginiert und damit auch so eine Ursprünglichkeit transportiert. Auf einer symbolischen Ebene lässt sich das einerseits mit der beschriebenen als „natürlich und ursprünglich“ gedachten Geschlechterordnung verbinden.  Andererseits ist genau das Gefährliche am Rohen etwas, das „doing masculinity“ erlaubt, das heißt, dass durch das Risikoverhalten Mut und Stärke demonstriert werden, wodurch sich Männer von anderen Geschlechtern abgrenzen.“

Orakel, Handlesen, Psychoanalyse

Tja. „Deuten“ als Methode, zumal eines Einzelnen, erscheint uns als nicht befriedigend für das Phänomen. Auch hier müssen wir wieder nach der Wissenschaftlichkeit fragen – auf welcher Grundlage deutet Dr. Winter?

Das gilt besonders, weil die Abteilung Dokumentation und Recherche selbst bei TikTok und einschlägigen Portalen nach dem Raw-Meat-Trend gesucht hat.

Akteure des Trends in Videos und Portalen sind nämlich nicht nur Männer, sondern erstaunlich viele junge Frauen, die sich von rohem Fleisch eine gesunde Haut oder einen straffen Körper erwarten.

Was das jetzt mit „doing masculinity“ zu tun hat, können wir nicht erkennen.

Doch der Chefredakteurin von Quarkundso.de kam es phnehin vor, als ob dieses „Deuten“ zu anderen Metiers gehört – Handlesern, Orakelpriesterinnen oder Psychoanalytikern.

Sicherheitshalber hat die Chefin daher selbst nachgefragt, und zwar bei einem gestandenen Wissenschaftler aus dem Fach des Herrn Dr. Winter.

Raw-Meat-Trend: Gibt es dazu Daten?

Der Mann ist selbst eine graue Eminenz, international renommiert, ein ausgewiesener Medien –und Technik-Soziologe, Prof. Dr. Claus Tully.

Auf die Frage der Chefredakteurin, wie die Deutungen des Dr. Winter zum Rohfleisch-Trend methodisch zu verstehen sind, fragt er zurück: „Ja, hat der Veganer denn dazu Daten?“

Richtig, da war doch was. Soziologen sind Sozialwissenschaftler, die sich auf reale Verhältnisse beziehen. Daten zur Rohfleisch-Welle sehen wir aber weder im Interview noch sonst irgendwo So richtig untersucht ist der Trend wohl nicht. Wie es im Text anklingt, kannte Winter den Rohfleischtrend vorher aber gar nicht. Er hat auf die Frage einfach drauflos gedeutet.

Begriffe, so Prof. Dr. Tully weiter, seien in der Soziologie aber zu definieren, insbesondere, wenn es um Phänomene aus dem Medien gehe.

Erscheinungen in den Medien aber als reale Begebenheiten zu interpretieren, sei eine Falle, merkt er an:

„Es ist doch gerade der Job von Influencern, so zu tun als hätten sie Einfluss. Das ist ihr Geschäftsmodell. Ob so ein Rohfleisch-Trend wirklich eine Rolle in der Gesellschaft und im Essverhalten spielt, ist die große Frage. Dazu braucht man Daten.“

Prof. Dr. Claus Tully im Gespräch mit Quarkundso.de

 

Ohne klar definierte Begriffe und ohne Daten, mahnt nun Prof: Dr. Claus Tully, laufe Wissenschaft Gefahr, zu bloßer Meinungsäußerung zu werden.

Auch im Interview: Sagen, was ist

Nach diesem Fazit legen wir Wert darauf, dass unser Beitrag hier nicht als Breitseite gegen den Jung-Soziologen Winter oder etwa die Gender-Forschung verstanden wird. Solange die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder Universitäten diese Art von Arbeiten fördern, fällt das wohl alles unter Wissenschaftsfreiheit . Und es gibt nunmal bessere und schlechtere Forschung.

Enttäuscht sind wir aber vom SPIEGEL, einem Qualitätsmedium, das sich immer wieder gegen Schwurbel und Fake News verdient gemacht hat.

Ein paar Nachfragen, eine Einordnung im Text wäre mit Rücksicht auf die Leser und auf die vielen Forscher, die handfeste Ergebnisse erarbeiten, gut gewesen.

Aber bitte, die Drecksarbeit bleibt mal wieder an uns hängen, Seufzend liefern wir also Service und schreiben den Vorspann für den SPIEGEL um, in zwei Fassungen:

„Was sagt unser Essverhalten über uns aus? Martin Winter hat dazu geforscht. Er glaubt: Fleischkonsum ist sexistisch.“

„Was sagt unser Essverhalten über uns aus? Martin Winter ist Soziologe und glaubt: Fleischkonsum ist sexistisch. Wir haben nachgefragt."

Tja. Sowas vielleicht, mit Herrn Winter als einem unter vielen, und mit einer gewissen reflektierten Distanz zu seinen Äußerungen, wie wäre das?

Idealerweise hätte die erste Frage an den Gender-Soziologen auch gleich klargemacht, wo der Interviewpartner steht:

„Sie erforschen Ernährung aus der Gender-Perspektive, betrachten Fleischkonsum in Bezug auf Geschlechterrollen. Wie erklären Sie das Phänomen, dass Männer in Deutschland fast doppelt so viel Fleisch essen wie Frauen?“

Das hätte erstens gezeigt, dass die Redaktion nicht unkritisch als gesetzt akzeptiert, was der Gesprächspartner schwurbelt. Es hätte für die Leser auch die Art der Forschung eingeordnet – und die Möglichkeit zu kritischen Fragen geboten.

Wenn man sie denn gehabt hätte.

©Johanna Bayer

DER SPIEGEL vom 3.10.2024, Interview Dr. Martin Winter

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