Das Essen der Anderen, Küchenzeile

Kesselfleisch und Milzwurst – ein Tabu? Über Innereien, Manieren und Vegetarier

Ungefragt reingesagt: Das Essen der Tischgenossen zu kommentieren scheint für viele selbstverständlich: „Oh nee, das wäre aber nicht meins!“, „Das ist aber ungesund“ – ich habe schon viele solcher Kommentare kassiert. Kritisch kann das werden, wenn Vegetarier und Leute, die alles essen, an einem Tisch sitzen. Und ab und an gebe auch ich meinen Senf dazu – Beginn der Reihe „Küchenzeile“.

Innereien_ST_3294Leber, Herz, Nieren, Schweinekopf, Zunge, Schweinefüße roh

Alles vom Tier – ja, das kann man essen. Und es ist gut. Bild: Shutterstock

 

In der Rubrik „Küchenzeile“ geht es ans Eingemachte. Das ist meine persönliche Ecke, hier dreht sich alles um mich – das heißt, um mein Essen, natürlich. Hier darf ich einfach drauflos schreiben, ohne erst Erzeugnisse von Kollegen durchkauen zu müssen. Das ist auch mal schön.

So frei von der Leber weg geht nämlich nicht immer, auch nicht im wirklichen Leben. Ich muss aufpassen. Denn ich finde mich oft in Diskussionen wieder, in denen ich die Zielscheibe bin. Dann muss ich mich rechtfertigen, warum ich etwas esse und warum anderes nicht, warum ich dies bestelle und nicht das, warum ich beim Kellner nachfrage und Wünsche äußere, warum es mir auf dieses ankommt und auf nicht auf jenes.

Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich „irgendwas mit Essen“ mache, das spricht sich rum.

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Dann erwarten die Leute bestimmte Dinge und wundern sich, wenn die nicht kommen. Regelmäßig fallen sie zum Beispiel aus allen Wolken, wenn ich eine Portion Sahne zum Nachtisch extra bestelle, obwohl ich vorher ein Schweinsschnitzel mit Pommes frites vertilgt habe.

Sie erwarten auch, dass ich ihr Essen analysiere und kommentiere, und zwar im Hinblick auf Gesundheit. Dabei kommentiere ich das Essen anderer Leute nie, wenn ich mit ihnen am Tisch sitze.

Das ist schon alleine eine Frage der Höflichkeit und der Erziehung. Das macht man einfach nicht. Gut, ich habe einen Blog, da ziehe ich ab und zu vom Leder, und ja, ich kommentiere auf Quarkundso.de Essen, Esskultur, Essverhalten.

Aber das ist nicht am Tisch, über den Tellern der anderen. Sondern in den unendlichen Weiten des Internets. Wenn ich mit anderen am Tisch sitze, halte ich den Mund.

 

Kesselfleisch, Milzwurst und Pfälzer Saumagen

Denn Essen ist etwas sehr Sensibles. Man verleibt es sich ein, es ist Teil der eigenen Identität, es steht für ganze Kulturen, Familientraditionen, für das Andenken an Mutter, Oma und Urgroßmutter, für jahrhundertealte Bräuche.

Nicht umsonst gilt es in allen Ländern der Welt als Affront, wenn der Gast das angebotene Essen ablehnt. Man muss Respekt vor dem Essen haben, und insbesondere vor dem Essen anderer.

Soweit die Theorie. In der Praxis passiert Schreckliches.

Neulich zum Beispiel sitze ich in einer Geburtstagsgesellschaft, ein Gespräch entspinnt sich über Dorffeste.

Eine echte Bayerin sitzt am Tisch, es fällt das Wort „Kesselfleisch“.

Ah, Kesselfleisch, bemerke ich interessiert, ja, sagt sie, das gab es bei Schlachtfesten, aber auch nach der Wildschweinjagd, das war das Essen der Jäger, die waren für das Kesselfleisch zuständig. Die haben das nach dem Zerlegen für alle angerichtet.

Ich bin begeistert, ich will alles wissen. Da kamen die Reste rein, erzählt sie, die letzten Fetzen von den Knochen, alles, was nicht in die Wurst kam, und auch der Kopf des Wildschweins: Da wird die Haut abgezogen, alle Haare entfernt, und der Kopf wird mitgekocht, ich glaube, das war auch so ein spezieller Sud, in dem das gekocht wurde.

Gemeinsam räsonieren wir über Gewürze, die wohl im Sud waren: Lorbeerblatt, Nelken, Majoran? Sie erzählt von den Sachen, die traditionell zu Fleisch gereicht werden, darunter rohe Zwiebeln und Knoblauch, das sind die Fleischgewürze. Noch heute gibt es auf dem Land rohe Zwiebeln zu Schweinefleisch, und Innereien wurden bei Schlachtfesten besonders gewürzt.

Ich nehme den Faden auf, erinnere an den Pfälzer Saumagen, den mit Kartoffelfarce gefüllten Schweinemagen, der in Scheiben geschnitten und dann lecker aufgebraten wird, und der von Helmut Kohl bewusst als Küchenklassiker sogar Staatsoberhäuptern serviert wurde, ja, sagt die Bayerin, man hat früher einfach das ganze Tier gegessen, from nose to tail.

 

Ist es unanständig, bei Tisch über Innereiengerichte zu reden?

Als ich gerade die bayerische Milzwurst zur Sprache bringe, schreit plötzlich eine am Tisch sitzende Vegetarierin auf: „Also ehrlich, das ist ja wohl unmöglich – ich esse hier!“

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Wir schauen sie verdutzt an, wieso, wir essen doch auch und reden über Essen? Sie, empört: „Spinnt ihr, dieses ekelhafte Zeug, diese Innereien, das ist doch widerlich, wenn man beim Essen sitzt!“

Ich frage, warum. Schließlich sind das traditionelle, wertvolle Gerichte und Zubereitungsweisen. Wir reden ja nicht über Fäkalien, Geschlechtskrankheiten oder Ungeziefer – Themen, die nach allgemeinem Verständnis bei Tisch zu meiden sind. Aber Kesselfleisch, Milzwurst und alte Bräuche?

Die Vegetarierin pocht gebieterisch mit dem Zeigefinger auf den Tisch: „Solange ich hier beim Essen sitze, erwarte ich, dass man sich nicht über ekelhaftes Gekröse auslässt. Ich kotze gleich! “

Ich: „Aber ich bitte Dich, Du kannst doch nicht unser Essen so abwerten, wir werten Dein Essen doch auch nicht ab!“ Die Vegetarierin rigoros: „Ihr habt ja nicht über Steak und Schnitzel geredet, das würde noch gehen. Sondern über widerliche Innereien. Das gehört sich einfach nicht!“

Die Bayerin lenkt ein: Ja, man esse ja sowieso zu viel Fleisch, und auch von der Massentierhaltung her, und wegen der Umwelt…

Da platze ich. Wirklich, ich habe geradezu die Beherrschung verloren. Im Nachhinein ist mir das sehr peinlich. Aber irgendwie ist bei mir was durchgebrannt, als ausgerechnet diese Vegetarierin Manieren und Erziehung ins Feld geführt hat – von wegen „das gehört sich nicht“.

 

Willkommen in der Veggie-Diktatur

Jetzt haue auch ich empört auf den Tisch und schleudere ihr entgegen: „Wie bitte? Wir führen hier eine interessante Unterhaltung und ich habe die Chance, von einer echten Bayerin etwas über traditionelle Esskultur zu erfahren, und dann will hier jemand totalitär das Gespräch bestimmen? Und jetzt kommt nur noch 08/15 und ökologisch korrekter Müll? Das ist doch wohl das Letzte! Das lasse ich mir nicht bieten!“

Die Vegetarierin ist stocksauer. Sie geht eine rauchen, ist ja auch rein pflanzlich. Ich rauche vor Wut. Die Bayerin ist betreten und schämt sich. Sie kommt vom Lande, ist auf einem Bauernhof aufgewachsen, sie hat von Erlebnissen aus ihrer Kindheit berichtet und weiß jetzt gar nicht, was sie sagen soll.

Ich weiß schon, was ich sagen soll.

Als die Vegetarierin wiederkommt, setze ich ihr mit kalter Rhetorik auseinander, dass die Art und Weise, in der sie das Gespräch zerstört hat, faschistisch ist. Sie hat höchst übergriffig die Sphäre anderer Menschen verletzt, sie will diktatorisch Themen vorschreiben.

Und sie entwertet wichtige Nahrungsmittel, die auf der ganzen Welt gegessen werden und vielen Menschen das Leben retten. Diese Gerichte als ekelhaft abzuqualifizieren steht ihr nicht zu.

Sie faucht, dass ich ja wohl einen an der Klatsche habe.

Ich fauche, sie soll sich gefälligst zusammenreißen, anstatt andere zu terrorisieren. Wenn sie etwas an den Gesprächen anderer Leute stört, hat sie das Problem, nicht wir. „Du hast das Problem“, drücke ich ihr so richtig rein. Sie kontert: „Die einzige, die hier ein Problem hat, bist Du, weil Du nicht verstehst, dass sich andere Leute vor dem Zeug ekeln!“

Die Stimmung an unserer Ecke ist im Eimer.

 

Scham über Deinen Teller

Natürlich fangen wir uns wieder, schon dem Geburtstagskind zuliebe. Aber mich hat der Vorfall schwer erschüttert. Die Sache hat so viele Implikationen: Was Manieren und Höflichkeit angeht, was unterschiedliche Essgewohnheiten und Weltanschauungen angeht, was Gesprächsthemen angeht, und das Verhältnis von Vegetariern einerseits zu Leuten, die alles essen andererseits.

Ich kann das nicht alles auf einmal abhandeln. Schon alleine der Punkt „Ekel“ und „sich ekeln“ vor Essen und „Ekel laut äußern“ ist einen eigenen Beitrag wert. Ebenso der Punkt „Manieren“ – darf ich anderen den Mund verbieten, wenn mir ihr Gesprächsthema nicht gefällt?

Vielleicht muss ich doch eine ganze Reihe aus dem Thema machen.

Mit einem Aspekt fange ich schonmal an: mit dieser Unsitte, das Essen anderer oder überhaupt Essen und Nahrungsmittel reflexhaft zu kommentieren. Und das auch noch in einer das Gegenüber möglichst beschämenden Art und Weise. Das ist entsetzlich. Und hat in den letzten Jahren leider extrem zugenommen.

Ja, scheinbar ist es in Deutschland inzwischen ein Ausweis von Kennerschaft, Gesundheitsbewusstsein, überhaupt Bewusstsein und dazu noch sozialer Anteilnahme, dem anderen auf den Teller zu starren und zu stöhnen:

„Oh Gott, sowas ziehst Du Dir rein, so eine Kalorienbombe?“ „Igitt, das könnte ich nicht essen, das ist ja nicht meins.“ „Du sündigst aber ordentlich heute, naja, Du kannst es Dir ja leisten.“ „Hast Du Deinen Cholesterinspiegel im Griff?“ „Boah, so ’ne Riesenportion, da fällst Du doch nach dem Essen ins Koma und kannst nicht mehr arbeiten!“, „Was, auch noch extra Sahne zu dem Nachtisch? Der ist doch schon so fett!“, „Das ist aber ungesund.“

Ich habe schon unendlich viele solcher Kommentare kassiert.

 

Menschen haben ein Recht auf Illusionen

Meistens schweige ich dazu. Denn was soll ich schon sagen?
„Du hast aber schlechte Manieren“, „Du hast doch gar keine Ahnung“, „Kannst Du das denn überhaupt beurteilen?“, „Alles, was Du über Essen denkst, ist falsch, das sieht man an Deiner Figur“, „Das geht Dich einen feuchten Kehricht an“ – derlei wäre vielleicht das Richtige.

Ist aber auch nicht gerade die feine Art. Ich schweige daher höflich. Meine gute Erziehung lasse ich mir von vulgären Äußerungen nicht verderben.

Selbst wenn ich ausdrücklich zur Stellungnahme aufgefordert werde, sage ich oft nichts. Letzten Samstag zum Beispiel war das so, als wir in lustiger Runde bei unserem Stamm-Italiener saßen.

Einer war dabei, der großen Wert auf das legt, was er für „gesunde Ernährung“ hält. Für ihn ist das bei Fleisch ausschließlich Huhn, weil „rotes Fleisch ungesund“ ist. Ohne jede Hemmung kauft er pfundweise Hühnerzeug bei Aldi. Den billigsten, mit Antibiotika verseuchten Kram aus Qualhaltung – aber „gesund“. Auch Smoothies hält er für „gesund“, und, wie sich herausstellte, „Superfoods“.

Darüber wollte er mit mir reden, weil er glaubt, dass, wer sich mit Essen beschäftigt, vor allem an die Gesundheit denkt. Ein anderes Attribut als „gesund“ gibt es bei ihm nämlich für Essen nicht. Das ist übrigens für erstaunlich viele Leute so.

„Superfoods kennst Du doch bestimmt“, sagt D. also zu mir, „Du bist angeblich Spezialistin für Ernährung, dann weiß Du ja, wie gesund die sind.“ Er setzt zu einem Referat an – Superfoods, doziert er, haben Mengen von Inhaltsstoffen, die extrem hoch sind, und für die man kiloweise normales Obst essen oder gar Pillen nehmen müsste, um an diese Dosis zu kommen. Er zum Beispiel isst jetzt jeden Morgen Goji-Beeren, hat sich auch diese Acai-Beeren zugelegt, trinkt Smoothies mit Grünkohl und streut Chia-Samen in sein Müsli.

Ich murmele irgendetwas Neutrales. Es soll ihm meine Aufmerksamkeit vorgaukeln. In Wahrheit bin ich mit meinen gratinierten Jakobsmuscheln und dem köstlichen Vermentino des Hauses beschäftigt.

Nicht die Bohne interessiert mich irgendwelches exotisches Grünzeug, und den Teufel werde ich tun und ihm sagen, dass Goji-Beeren mit Schadstoffen belastet, Acai-Beeren in Südamerika ganz normales Gemüse und Chia-Samen überteuerter Humbug sind.

Und dass es kein Superfood gibt, Fett vielleicht ausgenommen. Das glaubt er mir sowieso nicht. Und wer bin ich, um die Illusionen anderer zu zerstören?

Außerdem gibt es auch bei der Ernährung den Plazebo-Effekt, nachdem sich Leute, wenn sie nur bestimmte Sachen essen oder weglassen, besser fühlen. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Schon deshalb sind Diskussionen darüber, was „gesünder“ ist, völlig fruchtlos.

Ich sage also gar nichts.

 

Worauf es beim Essen ankommt

Na gut. Manchmal rutscht mir doch was raus.

Auf einem Ausflug in den Bergen habe ich mir zum Mittagessen ein Wiener Schnitzel mit Pommes frites bestellt. Ein Tischgenosse bestellt das Schnitzel mit Kartoffelsalat. Dann wendet er sich mir zu und intoniert süffisant, mit hochgezogenen Augenbrauen: „Na, dass Du sowas Ungesundes nimmst! Pommes frites sind doch viel ungesünder als Kartoffelsalat – das müsstest Du doch eigentlich wissen.“

Meine Synapsen schnapsten in dem Moment etwas unkontrolliert. Ich hörte mich heiter antworten: „Weißt Du, Essen hat auch sehr viel mit Geschmacksvorlieben und sensorischen Erfahrungen zu tun. Es gibt Leute, die mögen knusprige, rösche Texturen. Andere lieben breiige, schleimige Konsistenzen.“

Das war genau in dem Moment, als die Bedienung seinen Teller mit dem matschigen Kartoffelsalat auf den Tisch stellte.

Er war sprachlos, warum, weiß ich nicht. Eine aus unserem Kreis rang aber hörbar nach Luft: „Du bist aber frech!“

Ich habe das einfach mal so stehen lassen. Ich fand mich jetzt nicht so frech. Er hat mich als Fachfrau adressiert und wollte mich vorführen. Ich habe etwas Fachliches geantwortet. Das war garantiert nicht schlimmer als sein herablassender, provozierender Kommentar über mein Essen und die Unterstellung mangelnder Kenntnisse über „gesunde Ernährung“.

Natürlich arbeite ich an mir. Derlei wird nicht wieder vorkommen, bei Tisch.

Schließlich habe ich das Internet. Daher ist das nur der erste Teil einer lange Serie. Thema: „Ungefragt reingesagt“.

©Johanna Bayer


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25 Kommentare

  1. Grit

    Liebe Johanna,
    ein toller und sehr bildlicher Artikel.
    Ich selbst bin teilweise erstaunt, wie verschiedene Ernährungsweisen trennen können. Eine meine besten Freundinnen ist Vegetarierin, fast Veganerin. Und das Essen zusammen macht wirklich keinen Spaß. Bei gemeinsamen Essen/Festen bemühe ich mich immer um eine vegetarische Alternative, die aber oft nicht angerührt wird, aus Angst, dass das vegetarisch je Gericht mit Fleisch in Berührung gekommen ist. Nach dem gemeinsame. Ausflug an den Strand durfte ein von mir bei einem Fischer gekaufter Fisch nicht in ihrem Auto mitfahren, wobei sie selbstverständlich ihre Tofugerichte zu unseren Einladungen mitbringt, obwohl ich Tofu )meistens) bestimmt genauso ablehne wie sie Fleisch.

  2. Früher gab es viele Gasthäuser mit Metzgerei und eigener Schlachtung, deshalb stand mancherorts jede Woche Kesselfleisch auf der Karte. Habe ich als Kind öfter gegessen, weil Verwandte einen Gasthof mit Metzgerei hatten. War also nicht so was Besonderes wie das Wort „Schlachtfest“ vielleicht nahe legt, das würde ich eher der einstigen Hausschlachtung zuordnen. Auch heute gibt es noch viele Gasthäuser, die Kesselfleisch anbieten.

    „Nose to Tail“: In der BR-Serie „Im Schleudergang“wird der essgestörten jungen Frau schlecht, als ihr begeisterungsfähiger Freund sowas im gemeinsamen Café einführen will, weil das in New York total hip ist. Heute Abend mal schauen, wer sich durchsetzt. 🙂

    Wegen der geschmähten Massentierhaltung: Was wäre eigentlich das akzeptable Gegenstück? Bio nicht unbedingt, denn auch da gibt es große Betriebe, vor allem in Ostdeutschland. Die kleinen Nebenerwerbslandwirte? Die haben veraltete Ställe und die Rinder müssen mit Anbindehaltung leben, wenn niemand Zeit hat, sie auf die Weide zu treiben, oder das Grünland ist gar nicht in Hofnähe, weil der Vorbesitzer bei der Flurbereinigung keinen Wert darauf legte. Im größeren und modernisierten Betrieb, der seinen Betreiber noch halbwegs ernähren soll, gibt es für Rinder Laufställe und teils Bürstenmaschinen zum Wohlfühlen. Und die Schweine stehen auch im mittleren Familienbetrieb auf Spaltenböden und werden teils an riesige Schlachthöfe geliefert…

    • Irene, nicht alle Bioprodukte mögen Alternativen zur meiner Meinung nach zu Recht geschmähten Massentierhaltung sein. Aber man hat als Verbraucher schon die Möglichkeit, Fleisch von wirklich verantwortungsbewussten Erzeugern zu finden.

  3. anja chand

    Für einen Vegetarier ist ein Gespräch über Fleisch und Innereien genauso unangenehm wie wenn sich zwei Ärzte detailliert über ihre letzte Kiefernoperation oder die letzten Stuhlprobenuntersuchungen unterhalten.

    Ob er nun still vor sich hin leidet oder seinen Unmut äußert ist halt Charaktersache. Da muss jeder selbst wissen, ob er nun darauf Rücksicht nimmt, oder nicht, oder ob man sich als Vegetarier überhaupt noch mit Fleischessern an einen Tisch setzen will.

    • Anja, ich denke, das kannst du nicht verallgemeinern. Ich kenne Vegetarier, die kein Problem mit Gesprächen über Fleisch haben.

  4. Ich las diesen Beitrag laut lachend … in Frankreich sitzend. Es ist, als bekäme man Einblicke in einen fremden Planeten (aber ich kenne das, wenn deutsche Gäste kommen).
    Zitat: „Ja, scheinbar ist es in Deutschland inzwischen ein Ausweis von Kennerschaft, Gesundheitsbewusstsein, überhaupt Bewusstsein und dazu noch sozialer Anteilnahme, dem anderen auf den Teller zu starren und zu stöhnen …“
    Ich fürchte, das ist wirklich eine kulturelle Sache, sicher aufgeputscht durch Lifestylemedien. Essen zur Zeit meiner Großmutter sollte in Deutschland schnell satt machen, nicht irgendwelche gefährlichen Lüste wecken.
    Hier in Frankreich, wo Essen auch ein sozialer Faktor ist, oft fast Ersatzreligion, schaut man zwar auch intensiv in Töpfe und Schüsseln, auf fremde Teller. Aber um genau das zu machen wie im Gespräch mit der Bayerin. Wir interessieren uns für Rezepte, persönliche Variationen, Vorlieben, Geheimkniffe. Für die Geschichten, die eine Speise im Kopf auslöst, die damit verbundene…

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Johanna Bayer

      Liebe Petra, danke für diesen Kommentar! Ich freue mich über solche Rückmeldungen immer besonders, weil sie einfach den internationalen Horizont aufmachen, der, glaube ich, bei derlei Betrachtungen bitter nötig ist. Mir selbst ist es in Frankreich oder Italien noch nie untergekommen, dass jemand sich despektierlich über das Essen von Tischgenossen geäußert hätte – nie. Grundsätzlich wird in Italien über Essen als Thema von kulturellem Wissen und kulinarischer Kennerschaft gesprochen. Sich auszukennen und über Gerichte und Rezepte zu fachsimpeln, gehört zur Gesprächskultur. In Deutschland ist das – leider – nicht so. Und das ist aus meiner Sicht geradezu eine nationale Tragödie 🙂

      • BratEiJunkie

        Ich mag ja Ihren Blog sehr gern lesen. Leider stören zwei Dinge: Die Kommentare werden irgendwie Zeichenmäßig gekürzt, dabei gehen gelegentlich Kommentarteile verloren, was ich schade finde. Gerade

        Ausserdem wäre der Übersichtlichkeit des sonst sehr ansprechenden Blogs vielleicht gedient, wenn die Beiträge in Teaserform angeschnitten und mit einem Link „hier weiterlesen“ verknüpft wären. So ist es unübersichtlich über die Hauptseite scrollend Anfang und Ende von Beiträgen zu erkennen.

        Bitte nicht falsch verstehen: Ihr Blog entspricht im wesentlichen Ihrem angerichteten Rezept-Teller. Ich schlage nur allerhöflichst eine etwas abgewandelte Rezeptur vor 😉 Und auch das nur weil ich hier so gerne lesend „nasche“ an ihren Beiträgen. 🙂

        • Kommentar des Beitrags-Autors

          Johanna Bayer

          Hallo,
          ja, der Blog müsste dringend aufgeräumt und umgestaltet werden – aber ich komm zu nix!
          Werde aber dran arbeiten, versprochen. Tatsächlich ist es nach anderthalb Jahren und vielen Beiträgen jetzt Zeit, über eine andere Struktur und ein Theme nachzudenken, mit dem anders sortiert und gesucht werden kann. Bisher kann man aber auch Beiträge nach Titeln in der rechten Menüleiste finden, ohne alles durchrollen zu müssen. Danke für die Hinweise und fürs Lesen!
          Johanna

    • Irene Gronegger

      Frankreich ist katholischer als Bayern, das heißt: Askese kommt eher nicht so gut und ist schon gar kein Heilsweg bei Problemen aller Art. Die Vorstellung, dass man durch strengste Selbstkontrolle ins Paradies kommt, ist eher protestantischer Natur.

  5. Vielen lieben Dank für den Gefühlsausbruch! Ich hab mich schon lange nicht mehr so köstlich beim lesen amüsiert. Und irgendwie habe ich mich in vielen Sätzen wieder gefunden. Zwar hab ich nicht mit bayrinnen über Kesselfleisch diskutiert – aber ähnliche gespräche führe ich auch gerne und oft. Schlimmer als Vegetarier sind mE die „überzeugten“ Parolen-Veganer, die einem, sobald sie ein Mettbrötchen sehen, das Essen madig machen wollen – da möchte ich auch immer über den tisch langen….
    Liebe grüße und nochmal danke.
    Sabo

  6. Lisa

    Hej – und WOUW!!!

    Ein toller Beitrag. Und ehrlich gesagt, obwohl ich sonst nicht auf den Mund gefallen bin, bin ich leider oft sprachlos, wenn mir sowas passiert. Ich denke immer, dass ich mich fachlich, sachlich rechtfertigen muss. Dabei ist das gar nicht nötig.
    Wie Du sagst – es geht um Vorlieben, Traditionen, Lebensweisen und Ernährungsarten. Jeder Mensch soll essen, was er will – obs gesund ist oder schädlich, sollte tatsächlich nicht bei Tisch diskutiert werden.

  7. Suzeekju

    Geile Geschichte! Hilft mir und meinem Temperament sehr, da ich genau so leidenschaftlich bin, bei allem was ich tue!
    Schön, dass Du Dich für Dich und Deine Believes einsetzt. Das tue ich auch sehr gerne und habe häufig leider Konflikte.
    Es gibt Tage da kann man „diplomatisch“ sein, und an anderen ist es einem egal!
    Könnte ich geschrieben haben. 🙂

  8. Rosi

    Wir waren Zuhause (Bayern, in den 60ern) sechs Kinder, nicht wohlhabende Eltern und etliche Onkel und Tanten am Tisch.
    Saures Lüngerl mit Knödeln, Leber mit Apfel und Zwiebeln, Milzwurst mit Kartoffelsalat, Gulasch aus Herz mit Kartoffeln und Salat…
    Innereien waren günstig und es war Fleisch. Was ist an Innereien ekelig? Alles Ansichtssache und Geschmackssache!
    Wenn vegane Mütter ihren Kindern nur „Bestes“, so fettarm wie möglich, in die Schule mitgeben, und die Kleinen dann frieren, darf man aber nicht kritisieren, aber wehe, du beißt in ein Schinkenbrot…

  9. Köstlich! Duftet geradezu nach ehrlichen Emotionen! Und so gesund für die Seele!

    Ich habe mich wunderbar amüsiert. Was in letzter Zeit auch feststellbar ist, dass den Leuten die Attribute für die Beschreibung von Essen ausgehen. Alles ist nur noch „lecker“ meist auch ohne Flexion.

    Wenn etwas malerisch aussieht, verführerisch oder schön angerichtet, heißt es nur noch „Sieht lecker aus.“

  10. Vielen Dank für diesen Blog! So toll zu lesen und soooo wahr!
    Ich freue mich auf die „Serie“ 😉

  11. Danke! Danke! Danke!.
    Ich meide Menschenansammlungen in Lokalen mittlerweile und koche mir zuhause meine Leibspeisen.
    Und dazu gehören auch Leber, saure Nierchen etc.
    Ich möchte nicht belehrt werden, nur weil ich etwas esse, was andere nicht mögen.
    Ich mag aber auch Salat und Gemüseauflauf 😉

    Ich möchte auch kein Veganer werden und den hocherhobenen Finger sehen, wenn ich mir eine Käseplatte zum Abschluss bestelle.

    Wann ist Essen zum Dogma, zur Religion geworden?
    Soll doch jeder machen, was er will. Die Leute haben kein eigenes Leben mehr und müssen sich dann in das anderer Menschen einmischen.

    Beste Grüsse von einer Genussesserin
    Susi

  12. Peter Teuschel

    An sich würde mich ja interessieren, was Dr. Dr. Erlinger (der vom SZ-Magazin) dazu sagen würde. Darf man im Beisein einer Vegetarierin von Innereien reden oder nicht?
    Aber je länger ich darüber nachdenke, um so mehr wird mir klar, dass diese Frage irrelevant ist. Genau so wie die meisten, die mit „darf man“ beginnen. Die Regeln sind alle abgeschafft. Das Land wird neu verteilt. Es ist Krieg da draußen, auch bei Tisch. Kämpfe für uns, Kriegerin des Fleisches und der Innereien!

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Johanna Bayer

      Oh. Dabei bin ich gar keine Kriegerin des Fleisches – ich kämpfe nur für gute Manieren: Solange ich an diesem Tisch sitze, verlange ich, dass man sich anständig benimmt! 🙂

  13. Liebe Johanna,

    unglaublich, wie frech du bist… Und gefällt mir sehr, was du schreibst. Ich bin gespannt, was dir noch zu dieser Serie einfallen wird. Leider habe ich just heute morgen einen Text zum Thema Tischsitten abgegeben. Hätte ich deinen Beitrag vorher gelesen, hätte ich darin noch die Regel „das Essen anderer kommentieren gehört sich nicht“ verwurstet 😉

    Liebe Grüße
    Gabi

    • Liebe Gabi, wo wird man den Artikel lesen können?

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Johanna Bayer

      🙂 Danke, Gabi, und ja, ich würde den Artikel auch gerne lesen!

      • Oh, das ist keine große (aber nette) Sache und leider nicht öffentlich zugänglich. Er wird im nächsten DHB-Magazin erscheinen. Das ist die Mitgliederzeitschrift des Netzwerk Haushalt (früher Hausfrauenbund).

        Liebe Grüße von Gabi

  14. Vielleicht reißen sich alle mal am Riemen! Ich krisiere doch auch nicht den ungehemmten Antibiotika-Fleischgenuss von anderen Menschen.

    PS: Sorry, die Buchstaben waren aus.

  15. Ich kann dich voll und ganz verstehen.
    Mich nervt es sehr, dass überall erzählt wird was alles gesund oder ungesund ist oder noch besser wie man seinen Körper“entgiftet“ (NIEMAND hat Gifte in seinem Körper die man ihm entziehen muss! ARG!). Oder „detoxen“. Auch sehr schön. Nicht. Oder clean eating. Alles so ein Humbug!
    Das Butter aber ein natürliches Fett und ein wunderbarer Geschmacksträger ist interessiert keinen. Nee, man kauft lieber veganes Streichfett oder Jooghurtbutter, die wer weiß noch für Stoffe enthält. Aber sooo gesund alles!

    Genauso nervt es mich, dass man belehrt wird was man isst. Ich bin selbst kein Vegetarier und ich möchte auch nie einer sein, aber es nervt, dass sich andere Vegetarier ständig Kommentare über ihr Essen anhören müssen. Nehme ich mal etwas „exotisches“ zum Mittagessen mit (und da gehört schon Kokosmilch dazu), dann wird alles kritisch beäugt und ich muss mir anhören, ob dass denn überhaupt schmeckt und so weiter und so fort.

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  1. Schmausepost vom 29. April | Schmausepost
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